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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Verbrechen gegen sich selbst, jetzt zu kündigen. »Und wenn ich euch mein Geld gebe, muß ich selbst ins Geschäft eintreten. Bei allem Vertrauen, das ich dir entgegenbringe, lieber Diederich —«
    Diederich sah es ein. Kienast schlug seinerseits etwas vor. »Wenn du einfach die Mitgift auf fünfzigtausend festsetztest! Magda würde dann auf ihren Anteil am Geschäft verzichten.« Dies stieß wieder auf Diederichs unbedingten Widerspruch. »Es wäre gegen den letzten Willen meines seligen Vaters, der ist mir heilig. Und so großzügig, wie ich arbeite, kann in einigen Jahren Magdas Anteil das Zehnfache betragen von dem, was du jetzt verlangst. Nie werde ich mich dazu hergeben, meine arme Schwester zu schädigen.« Hierauf feixte der Schwager ein wenig. Diederichs Familiensinn ehre ihn, aber mit Großzügigkeit allein sei es nicht getan. Und Diederich, merklich gereizt: er sei gottlob für seine Geschäftsführung außer Gott nur sich selbst verantwortlich. »Fünfunddreißigtausend bar und ein Achtel des Reingewinnes, mehr ist nicht zu holen.« Kienast trommelte auf den Tisch. »Ich weiß noch nicht, ob ich deine Schwester dafür übernehmen kann«, erklärte er. »Mein letztes Wort behalte ich mir noch vor.« Diederich zuckte die Achseln, und sie tranken ihr Bier aus. Kienast kam mit zum Essen; Diederich hatte schon gefürchtet, er werde sich drücken. Glücklicherweise war Magda noch verführerischer hergerichtet als gestern —, ›wie wenn sie gewußt hätte, es geht ums Ganze‹, dachte Diederich, der sie bewunderte. Bei der Mehlspeise hatte sie Kienast wieder so sehr erwärmt, daß er die Hochzeit in vier Wochen wünschte. »Dein letztes Wort?« fragte Diederich neckisch. Als Antwort zog Kienast die Ringe aus der Tasche.
    Nach Tisch ging Frau Heßling auf den Fußspitzen aus dem Zimmer, wo die Verlobten saßen, und auch Diederich wollte sich zurückziehen, aber sie holten ihn zum Spazierengehen. »Wohin geht es denn, und wo sind Mutter und Emmi?« Emmi hatte sich geweigert, mitzukommen, und darum blieb auch Frau Heßling zu Hause. »Weil es sonst schlecht aussehen würde, weißt du«, sagte Magda. Diederich stimmte ihrer Einsicht zu. Er wischte ihr sogar den Staub fort, der beim Eintritt in die Fabrik an ihrem Pelzjackett hängengeblieben war. Er behandelte Magda mit Achtung, denn sie hatte Erfolg gehabt.
    Man ging gegen das Rathaus zu. Es schadete nichts, nicht wahr, wenn die Leute einen sahen. Der erste freilich, dem man gleich in der Meisestraße begegnete, war nur Napoleon Fischer. Er fletschte die Zähne vor dem Brautpaar und nickte Diederich zu, mit einem Blick, der sagte, er wisse Bescheid. Diederich war dunkelrot; er würde den Menschen angehalten und ihm auf offener Straße einen Krach gemacht haben; aber konnte er? ›Es war ein schwerer Fehler, daß ich mich mit dem hinterhältigen Proleten auf Vertraulichkeiten eingelassen habe! Es wäre auch ohne ihn gegangen! Jetzt schleicht er um das Haus, damit ich daran denke, daß er mich in der Hand hat. Ich werde noch Erpressungen erleben.‹ Aber zwischen ihm und dem Maschinenmeister war gottlob alles unter vier Augen vor sich gegangen. Was Napoleon Fischer über ihn behaupten konnte, war Verleumdung. Diederich ließ ihn dann einfach einsperren. Dennoch haßte er ihn für seine Mitwisserschaft, daß ihm bei zwanzig Grad Kälte heiß und feucht ward. Er sah sich um. Fiel denn kein Ziegelstein auf Napoleon Fischer?
    In der Gerichtsstraße fand Magda, daß der Gang sich lohne, denn bei Landgerichtsrat Harnisch standen hinter einer Scheibe Meta Harnisch und Inge Tietz, und Magda wußte bestimmt, daß sie bei Kienasts Anblick sehr beunruhigte Gesichter gemacht hatten. Auf der Kaiser-Wilhelm-Straße war heute leider wenig los; höchstens, daß Major Kunze und Doktor Heuteufel, die in die »Harmonie« gingen, von ferne neugierige Gesichter machten. An der Ecke der Schweinichenstraße aber trat etwas ein, das Diederich nicht vorausgesehen hatte: gleich vor ihnen ging Frau Daimchen mit Guste. Magda beschleunigte sofort den Schritt und plauderte lebhafter. Richtig drehte Guste sich um, und Magda konnte sagen: »Frau Oberinspektor, hier stelle ich Ihnen meinen Bräutigam, Herrn Kienast, vor.« Der Bräutigam ward gemustert und schien zu entsprechen, denn Guste, mit der Diederich zwei Schritte zurückblieb, fragte nicht ohne Achtung: »Wo haben Sie ihn denn hergenommen?« Diederich scherzte: »Ja, so nah wie Sie findet nicht jede den ihren. Aber dafür solider.« —

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