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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Mittel und Wege gefunden werden, ihr dieses entsetzliche Kind sanft zu entwinden.
    Louis zog sich fertig an und dachte an all die Typen, die versucht hatten, einer Mutter ihr Junges wegzunehmen, und die diesen Versuch mit dem Leben bezahlt hatten, selbst bei einem so häßlichen Jungen. Er kramte in der Küchenschublade und holte ein Springmesser heraus, das er in seine Tasche stopfte. Marthe war die einzige, die sich vor Scherenmördern nicht fürchtete.
     
    Gegen Mittag klopfte er an die Tür der »Baracke« von Marc Vandoosler in der Rue Chasle. In der Nachbarschaft wurde das Haus trotz aller Renovierungsarbeiten, die Marc mit den beiden Typen durchgeführt hatte, die mit ihm dort wohnten, im allgemeinen »die Bruchbude« (Siehe Fred Vargas, »Die schöne Diva von Saint-Jacques«.) genannt. Es schien niemand dazusein, nicht einmal Marcs Patenonkel, Vandoosler der Ältere, der im Dachstuhl wohnte und den Kopf aus seinem Fenster steckte, sobald er hörte, daß sich jemand näherte. Louis war bislang nur zweimal dagewesen, er hob den Blick und musterte die Fassade. Geschlossene Fenster im dritten Stock, das heißt in der Etage, in der, wenn er sich recht erinnerte, Lucien Devernois wohnte, der Zeitgeschichtler, der ständig mit der Erforschung der Innereien des Ersten Weltkrieges beschäftigt war. Auch im zweiten Stock niemand, wo der Mediävist Marc Vandoosler wohnte, und auch niemand darunter, in der Etage des Ur- und Frühgeschichtlers Mathias Delamarre. Louis schüttelte den Kopf, während er den Blick über die verkommene Fassade des schmalen Hauses schweifen ließ, in der die drei Historiker sich sorgfältig chronologisch übereinandergeschichtet hatten: Mangels einer sozialen Struktur und beruflicher Perspektiven hatte Marc Vandoosler es für lebensnotwendig erklärt, zumindest die Zeitalter in ihrer Reihenfolge über dem gemeinsamen Erdgeschoß zu beachten. Und über ihnen allen, im Dachgeschoß, lebte Vandoosler der Ältere, ein ehemaliger Bulle mit recht undurchsichtiger Karriere, der sich hauptsächlich mit der eigenen Zeit beschäftigte und mit der besten Möglichkeit, sie auszufüllen. Alles in allem, stellte Louis fest, hielt dieses Konglomerat aus schwer miteinander zu vereinbarenden Charakteren, das zwei Jahre zuvor eilig zusammengefügt worden war, um dem wirtschaftlichen Zusammenbruch die Stirn zu bieten, besser zusammen, als man es hätte erhoffen können.
    Louis stieß das alte Gittertor auf, das nie abgeschlossen wurde, und durchquerte eine Art brachliegenden kleinen Garten, der die Baracke umgab. Durch die Sprossenfenster sah er in den großen Raum im Erdgeschoß, den Marc als das Refektorium bezeichnete. Alles war leer, und die Eingangstür verschlossen.
    »Salut, Deutscher. Suchst du die Evangelisten?«
    Kehlweiler drehte sich um und begrüßte Vandoosler den Älteren, der sich ihm lächelnd näherte und mit einer Hand einen vollen Einkaufswagen zog. Vandoosler hatte es sich angewöhnt, seine Mitbewohner heiliger Markus, heiliger Matthäus und heiliger Lukas zu nennen, oder auch kurz »die Evangelisten«, und angesichts der Tatsache, daß der Alte nicht davon lassen wollte, hatten sich alle damit abgefunden.
    »Salut, Vandoosler.«
    »Man hat dich ja lange nicht gesehen«, sagte Vandoosler der Ältere, während er seine Schlüssel suchte. »Bleibst du zum Essen? Ich mache ein Huhn für heute mittag und ein Gratin für heute abend.«
    »Nein, ich muß schnell weiter. Ich suche Marc.«
    »Bist du an was dran? Es heißt, du hättest deine Arbeit aufgegeben.«
    Ganz offenbar konnte man sich nicht für Behälter zum Wegräumen von Schuhen interessieren, ohne daß ganz Paris davon erfuhr und sich einmischte, dachte Louis irritiert. In der Stimme des Alten lag etwas Mißbilligendes.
    »Hör mal, Vandoosler, mach nicht auf Bulle, ja? Du weißt selbst sehr gut, daß man sich nicht das ganze Leben in Verbrechen suhlen kann.«
    »Du hast dich nicht gesuhlt, du hast ermittelt.«
    »Das ist dasselbe.«
    »Möglich«, sagte der Alte und stieß die Tür auf. »Was machst du statt dessen?«
    »Ich denke drüber nach, wie ich meine Schuhe aufräume«, sagte Louis barsch.
    »Ach so? Der Bereich ist überschaubarer.«
    »Er ist ganz sicher überschaubarer. Was ist dabei? Du beschäftigst dich schließlich auch mit Gratin.«
    »Aber weißt du auch, warum ich Gratin mache?« fragte Vandoosler der Ältere und sah ihn starr an. »Du fegst das Thema mit einer Handbewegung beiseite, ohne irgendwas zu wissen, ohne ihm

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