Der Väter Fluch
problemlosere der beiden. Was ist passiert?«
»Einiges. Das Leben steckt wirklich voller Überraschungen, Marjorie.«
»Jacob ist ein intelligenter Junge, Pete. Er wird das schon schaffen.«
»Das sag ich mir auch immer.« Er legte mehrere Blätter Papier aufeinander. »O Mann... ich fühl mich ziemlich beschissen. Vielleicht sollten wir beide nach Hause gehen.«
»Und uns dort beschissen fühlen?«
»Wir haben uns selbst unser Lager bereitet, Margie. Dann können wir uns genauso gut auch darauf niederlassen.«
Es war erst acht Uhr morgens, aber schon bevölkerten mehrere Besucher das Haus. Es konnten natürlich auch Verwandte sein, denn Rina glaubte, bei einigen Frauen eine gewisse Ähnlichkeit mit Jill zu entdecken. Darüber hinaus hielten sich noch etwa ein Dutzend Jugendliche im Haus auf. Möglicherweise Cousins oder Freunde von Karl, vielleicht auch ehemalige Klassenkameraden von Ernesto. Sie unterhielten sich leise; die Jungen schauten betreten auf ihre Füße, während sich die Mädchen mit Taschentüchern die geröteten Augen wischten. Innerhalb kürzester Zeit kam eine von Jills Doppelgängerinnen auf Rina zu, musterte sie von Kopf bis Fuß und brachte schließlich ein höfliches Nicken zu Stande. »Ich bin Brook Hart. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Sind Sie Jills Schwester?«, fragte Rina.
»Ja. Was kann ich für Sie tun, Mrs....?«
»Mein Name ist Rina Decker.«
»Oh.« Brook betrachtete sie misstrauisch. »Die Frau des Detective.«
»Ja, aber ich bin nicht in einer Polizeiangelegenheit hier.«
»Weshalb dann? Noch dazu mit dieser großen Aktentasche?« Brooks Gesicht rötete sich. »Ich will nicht unhöflich sein, aber dies ist für die Familie eine sehr schwere Zeit. Sicher haben Sie dafür Verständnis.«
»Ja, natürlich. Eigentlich bin ich gekommen, um mit Mr. Golding zu sprechen. Der Inhalt der Aktentasche ist für ihn.«
»Oh.« Wieder dieser misstrauische Blick. »Und was ist da drin?«
»Das ist privat.«
»Oh... wie privat?«
»Ist er zu sprechen?«
Brook runzelte die Stirn. »Warten Sie einen Moment.«
»Vielen Dank.«
Aus dem Moment wurden mehrere Minuten. Rina vertrieb sich die Zeit, indem sie unauffällig die anderen Gäste beobachtete. Eines der Mädchen schien sich auch für sie zu interessieren. Vielleicht lag es an Rinas Kleidung - ihr einfacher blauer Pullover, der mittellange Jeansrock, und die schwarze Schottenmütze, die ihr Haar fast vollständig bedeckte. Fast alle anderen Frauen im Raum trugen Hosen.
Das Mädchen starrte sie noch immer an. Selbst mit dem Nasenpiercing war es ein hübsches junges Ding mit dunklen Haaren, dunklen Augen und Grübchen in den Wangen. Rina konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben, trotzdem erwiderte sie ihr Lächeln. Dadurch ermutigt kam das Mädchen langsam auf Rina zu und streckte ihr die Hand entgegen.
»Ich bin Lisa Halloway. Sie sind Jacobs Mutter, stimmt's?«
Rina nahm die kleine Hand und drückte sie. »Ja, das bin ich. Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Nein, aber Sie sehen genauso aus wie Jacob... oder vielmehr sieht er genauso aus wie Sie.«
»Schön, dich kennen zu lernen, Lisa. Woher kennst du Jacob?«
»So halt.«
Von den Drogenpartys.
»Wie geht es ihm?«, fragte Lisa.
»Im Augenblick ist er sehr niedergeschlagen und bedrückt über das, was mit Ernesto Golding passiert ist. Wahrscheinlich geht's dir ähnlich.«
Lisas Augen wurden feucht. »Ich war Ernestos Freundin... Exfreundin.« Tränen liefen über ihre Wangen. »Es ist... es ist alles so unwirklich.«
Instinktiv streckte Rina die Hände aus und zog das Mädchen an sich, das in ihren Armen bitterlich zu weinen begann. Rina seufzte, während sie ihr über das Haar strich. »Das Leben ist beschissen!«, stieß Lisa hervor.
»Manchmal.«
»Immer.«
»Nein, nicht immer.«
Lisa befreite sich aus der Umarmung. »Dann wecken Sie mich bitte, wenn der nicht beschissene Teil kommt.«
»Das wird nicht nötig sein.« Rina lächelte. »Du wirst es wissen, wenn es so weit ist.« Lisa fuhr sich über das Gesicht und trat einen Schritt zurück. »Grüßen Sie bitte Jacob von mir.«
»Mach ich.«
»Sagen Sie ihm, er soll doch mal vorbeikommen.«
Von wegen, dachte Rina. »Aber gern«, erwiderte Rina. Als sie dem Mädchen nachsah, das sich wieder zu seinen Klassenkameraden gesellte, tauchte Carter plötzlich neben ihr auf. Sein Gesicht wirkte verhärmt, seine Haut war fahl, und sein Bart schien über Nacht vollständig ergraut zu
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