0768 - Lady Bluthaar
Man hatte ihr auch einen anderen Namen gegeben. So wurde sie als der Schwarze Tod bezeichnet.
Sicher war nur, daß die Menschen, die von der Pest befallen waren, keine Chance mehr auf Heilung hatten und einen schrecklichen Tod erleiden würden.
Da es sich bei der Pest um eine ansteckende Krankheit handelte, durften die Infizierten nicht länger dort bleiben, wo sich die Lebenden aufhielten. Man mußte sie in bestimmte Gebiete schaffen, wo sie niemanden mehr anstecken konnten.
Dazu waren die Inseln vor der korsischen Küste vorgesehen worden. Dort lebte kein Mensch. Nicht einmal Ratten sollte es dort geben. Seefahrer hatten dies auch dem König von Frankreich gemeldet, und der war natürlich froh über den Hinweis gewesen. So hatte er endlich einen Platz, zu dem er die Kranken hinschaffen konnte. Auf diesen Inseln sollten sie unter sich sein und ihre letzten Tage verbringen.
Natürlich wußten die Kranken selbst, welches Schicksal sie erwartete, aber sie waren einfach zu schwach, um dagegen zu protestieren. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu ergeben und höchstens klagend und bittend ihre Hände dem an der Luke stehenden Mann entgegenzustrecken, der aber nur mit verächtlichen Blicken auf sie niederschaute, hin und wieder seine Peitsche ausrollte und sie über den Köpfen der Bedauernswerten herpfeifen ließ.
Daß er dabei auch dünne Arme, ausgemergelte Körper und verzerrte Gesichter traf, störte ihn nicht.
Gewalt hatte immer zu Camachos Leben gehört. Einst war er einer der gefürchtetsten Piraten gewesen, die das ligurische Meer unsicher gemacht hatten. Er hatte es vor allen Dingen auf die reich beladenen Schiffe der Kaufleute aus Genua abgesehen und reichlich Beute gemacht. Dann war er in eine Falle gelaufen. Man hatte ihn nach einem wilden Kampf gefangengenommen und eingekerkert.
Unter der Folter hatte er nichts gestanden, die Quälereien hatten ihn nur noch härter werden lassen.
Das war nicht ohne Eindruck bei Hofe geblieben. Bis in den Dunstkreis des Königs hatte sich seine Härte herumgesprochen, und der König selbst hatte gehandelt.
Er brauchte jemanden, der das Schiff mit den Kranken kommandierte. Es sollte die Strafe für Camacho sein. Wenn er sie auf den Inseln abgesetzt hatte, sollte er nicht nur frei sein, sondern wieder in den Dienst des Königs treten können, aus dem er einmal desertiert war, um Pirat zu werden.
Er würde sogar sein eigenes Schiff bekommen, und das hatte ihn natürlich gereizt. Da war es Camacho egal, welche Ladung er an Bord hatte. Er wollte sich nur immer weit genug von den Pestkranken fernhalten, um selbst nicht angesteckt zu werden.
Man hatte ihm auch freie Hand gelassen, die Mannschaft zusammenzustellen.
Auf viele seiner ehemaligen Piraten hatte er verzichten müssen, weil sie nicht mehr am Leben waren. So hatte er sich, in den Kerkern umgesehen, auch dort manch bekanntes Gesicht getroffen und so seine Mannschaft komplettiert.
Es war alles bestens…
Er freute sich.
Und seine Männer würden auch später bei ihm bleiben. Sie waren ihm treu ergeben, gingen für ihn durchs Feuer. Sogar der Steuermann, der als Einzelgänger galt und sehr verschlagen war, gehorchte ihm.
Camacho war ein kräftiger Mann. Er sah nicht aus wie ein Pirat, zumindest fehlte ihm die Augenklappe, aber der dunkle Bart und auch das schwarze Haar wuchsen so dicht und wucherten dermaßen in die Höhe, daß sie eine Einheit bildeten und dem Gesicht etwas Düsteres und Drohendes gaben. In seinen kleinen, kalten Augen schimmerte oft genug der Haß auf alles, was nicht zu ihm gehörte, und ebenso haßte er die Pestkranken. Am liebsten wäre er zu ihnen hinabgestiegen, um unter ihnen einen Blutbad anzurichten, doch das konnte er sich nicht leisten. Man hatte ihn vor der Gefahr einer Ansteckung gewarnt. Deshalb blieb er lieber auf Distanz, um hin und wieder mit der Peitsche zuzuschlagen. Da konnte er seinem Haß dann freien Lauf lassen.
Wieder einmal umwanderte er die Luke. Er spie hinein, schlug gegen die Jammernden, die um Wasser baten und es auch bekamen. Camacho holte einen Mann aus der Mannschaft herbei.
»Gib ihnen Wasser!«
»Ja!«
Der Mann eilte weg.
Er kam zurück. In den beiden Ledereimern schwappte das Salzwasser aus dem Meer. Camacho ließ es sich nicht nehmen. Lachend leerte er die Gefäße über den Köpfen der Menschen und kümmerte sich nicht um deren Flüche.
Die Felsinseln lagen westlich von Korsika. Sie waren öde, und nicht mal er als
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