Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vampir

Der Vampir

Titel: Der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Sättigungsgrad sei erreicht gewesen, als die Bronzefigur Alarics zu den
Zinnen herausgesprungen war. Von diesem Augenblick an hatte sich eine Art Logik
— eine wilde zwar, aber immerhin eine Logik — in diese verrückte Sache
eingeschlichen.
    Ich trank das Glas leer,
verließ das Schlafzimmer und strebte den Korridor entlang in Richtung der
Diele. Als ich den Treppenabsatz erreicht hatte, blieb ich instinktiv stehen,
und da blickte er mich auch schon wieder von der oberen Treppe herab an. Der
kleine Alte, fett und kahlköpfig, in seinem gestreiften Pyjama, dem läppischen
Samtmorgenrock und mit den Quasten an den Pantoffeln.
    »Bastard!« Die verblichenen
blauen Augen weiteten sich überrascht. »Warum bist du wieder im Schloß ?«
    »Weil ich nicht hinauskommen
konnte«, brummte ich. »Es gibt keinen Weg hinaus aus dem Wachtturm. — Aber
vielleicht wissen Sie das?«
    »Aber das Schicksal hat dich
dort erwartet !« Er kam die Treppe herabgewatschelt,
und sein Gesicht war bekümmert. »Ich war sicher, daß du der Richtige bist! Die
Sage ist wahr; der Bastard kehrt in anderem Gewand zurück .« In sein Gesicht trat ein eifriger, verschlagener Ausdruck. »Aber du hast den
Schatz gefunden, Alarics Schatz ?«
    »Nein.« Ich schüttelte den
Kopf. »Ich habe nicht das geringste gefunden, was auch nur der Erwähnung wert
wäre .«
    »Nein?« Sein Gesicht verfiel
plötzlich und nahm dann einen kindlich eigensinnigen Ausdruck an. »Aber ich war
ganz sicher, daß du der Richtige bist .«
    »Pech !« sagte ich kurz. »Vielleicht haben Sie das nächste Mal mehr Glück. Ja?«
    Er schüttelte traurig den Kopf.
»Ich glaube nicht, daß es ein nächstes Mal geben wird — und ich war so sicher !« Er sog nachdenklich an seiner Unterlippe. »Aber
schließlich war ich beim ersten am Anfang auch so sicher .«
    »Beim anderen?« Ich blickte ihn
scharf an, und der leere Ausdruck begann sich auf seinem Gesicht auszubreiten.
»Nigel Carlton?«
    »Ich kann mir keine Namen
merken«, sagte er trotzig.
    »Der, welcher wie ein Vampir
aussah ?« beharrte ich. »Der mit dem kreideweißen
Gesicht und dem schwarzen Haar — der, den man heute nacht umgebracht hat?«
    »Vielleicht.« Er wich einen
Schritt zurück. »Ich erinnere mich nicht. Und jetzt muß ich gehen, denn...«
    Ich ergriff ihn am Arm und zog
ihn wieder zu mir her. » Stop ! Diese Unterhaltung hat
gerade erst begonnen, Onkel Silas !«
    »Bitte«, wimmerte er wie ein
kleines Kind. »Du tust mir weh .«
    »Sie tun gut daran, Ihr
Gedächtnis arbeiten zu lassen, Onkel Silas .« Ich ließ seinen Arm los. »Der andere war Nigel Carlton,
ja ?«
    »Vielleicht.« Ein mürrischer
Ausdruck lag auf seinem Gesicht, während er sich heftig den Arm rieb. »Als er
das erstemal kam, war nur Farthingale im Haus, und ich schlich mich in den Hof hinaus, als ich den Vampir kommen sah .« Er kicherte zahnlos und vergnügt. »Ich traf ihn bei der
Turmruine, und so, wie er sie anstarrte, dachte ich, er sei der Richtige.
Außerdem wußte er soviel über Alaric und die Sage;
und je länger er redete, desto überzeugter war ich. Aber dann, heute abend «, seine Stimme schwankte, »starb er. Also wußte
ich, daß ich mich geirrt hatte .«
    »Was haben Sie ihm gesagt ?« Ich versuchte, meine Stimme beiläufig klingen zu lassen.
»Nachdem Sie über Alaric und die Sage gesprochen hatten ?«
    »Ich habe ihm gar nichts gesagt .«
    »Nichts ?« bohrte ich nach. »Sie haben ihm nicht erzählt, der Schatz läge noch verborgen
irgendwo innerhalb des Schlosses? Sie haben ihm nichts von den geheimen Gängen
erzählt ?«
    »Nun«, er vermied sorgfältig,
mich anzusehen, »vielleicht habe ich den Schatz erwähnt; ich erinnere mich
nicht mehr deutlich .«
    »Und die Geheimgänge, die
Kleiderkammer — den Kleiderschrank oder wie immer Sie das nennen — mit der
drehbaren Wand ?«
    »Ich habe Ihnen vorhin schon
gesagt, daß ich mich nicht erinnere .« Sein Gesicht
zuckte, als würde er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. »Es ist grausam von
Ihnen, einem armen alten Mann so zuzusetzen! Lassen Sie mich doch in Ruhe !«
    »Sie haben mich auch nicht in
Ruhe gelassen, Sie alter Kriecher, solange Sie geglaubt haben, ich sei
Bestandteil der alten Sage und würde vielleicht — wenn Sie nur genügend
nachhelfen würden — für Sie den Schatz finden !«
    Er wich zurück, die Treppe
hinauf, und auf seinem Gesicht lag ein verängstigter Ausdruck. Ich machte einen
drohenden Schritt auf ihn zu, und er stieß einen dünnen

Weitere Kostenlose Bücher