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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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Menagerie hat gesagt, dass ich mich um sie kümmern darf«, fuhr sie fort und drehte sich wieder zu den Tieren um. »Sind sie nicht possierlich? Als ich klein war, hatte ich auch so eine, aber sie ist weggelaufen. Einer der Beefeater sagte damals, er habe sie bei der Orgel in der Kapelle gesehen, aber wir haben sie nie wiedergefunden. Das war wirklich traurig. Wir hatten ihr alle möglichen Kunststückchen beigebracht. Mein Vater hatte ein kleines Fässchen für sie gebaut, das sie dann durch die Schenke gerollt hat. Immer wenn sie es einmal durch den Raum geschafft hatte, gaben ihr die Beefeater einen Penny. Zu dem Zeitpunkt, als sie weglief, war sie steinreich. Wussten Sie, dass Königin Viktoria auch so ein Tier hatte?«
    Aber in dem Moment war von Rev. Septimus Drew nur noch ein Hauch Weihrauch geblieben.
    Als Valerie Jennings zur Arbeit kam, lag Hebe Jones bereits in der Zauberkiste, in der für gewöhnlich glamouröse Assistentinnen in zwei Teile zersägt wurden. Die Haltung der Kapitulation war eindeutig, und so knöpfte Valerie Jennings ihren dunkelblauen Mantel auf, hängte ihn neben die aufblasbare Puppe, setzte sich an ihren Schreibtisch und wartete darauf, dass ihre Kollegin wieder in den Vollbesitz ihrer Kräfte gelangen würde. Nach einiger Zeit schaute sie erneut hinüber, aber die Augen waren immer noch geschlossen und die Schuhe mittlerweile zu Boden gefallen. Schließlich hörte sie das verräterische Quietschen des Deckels. Hebe Jones tauchte aus der Versenkung auf und murmelte einen Gruß. Valerie Jennings sah, wie sie zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte, ins Telefonbuch schaute und mit frischem Elan den Hörer abnahm.
    Sie selbst warf einen Blick in ihr Notizbuch, konnte sich aber nicht auf die Aufgabe konzentrieren, das gelbe Kanu mit seinem Besitzer wieder zu vereinen. Stattdessen schaute sie auf die Kuckucksuhr und sah mit Grauen, dass die Mittagszeit näherrückte. Obwohl Arthur Catnip ihrer beider Lieblingsfahrkartenkontrolleur war, bedauerte sie es zutiefst, dass sie seine Einladung angenommen hatte. Niemals wieder hatte sie sich auf die hoffnungslos zum Scheitern verurteilten Wirren der Liebe einlassen wollen. Zu ihrem letzten Versuch war sie von einer Nachbarin ermuntert worden, die es nicht ertragen konnte, sie den Rasen mähen zu sehen, eine Aufgabe, die ihrer Meinung nach Pflicht von Ehemännern war. Also wartete sie, bis Valerie Jennings den Rasenmäher direkt an ihrem Gartenzaun entlangschob, und schoss dann vor ihr aus dem Boden. Zunächst lobte sie sie für ihre diagonale Schnitttechnik, auf die auch ihr Ehemann schwor, dann fügte sie in einem überhasteten Gedankensprung hinzu, dass sie einen Kollegen habe, der Single sei und ebenfalls gerne lese. Und obwohl Valerie Jennings sie darauf hinwies, dass Singles fast so schlimm seien wie Ehemänner, bearbeitete die Frau sie so lange, bis sie schließlich einwilligte, sich mit ihm zu treffen.
    Eine Woche lang redete sie sich ein, dass der Mann nie im Leben zu ihr passen würde. Als sie sich aber für den gemeinsamen Abend fertig machte, flackerte plötzlich Hoffnung in ihr auf, und als sie die Haustür hinter sich schloss, hatte der kalte Wind der Einsamkeit bereits ein Höllenfeuer der Sehnsucht in ihr angefacht. In der Schenke setzte sie sich mit einem doppelten Wodka Orange in eine Ecke, studierte das Muster ihres neuen Kleids und sah jedes Mal auf, wenn sich die Tür öffnete. Schließlich trat ein Mann ein und schaute sich um. Sie blickten sich lange genug in die Augen, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass er es war. Sie lächelte schüchtern, er aber machte auf dem Absatz kehrt und verschwand mit derselben Entschlossenheit, mit der er eingetreten war. Es dauerte eine Weile, bis Valerie Jennings sich dazu aufraffen konnte aufzustehen. Sie zog das Kleid über ihre prächtigen Oberschenkel und verließ den Pub, in dem die Asche ihrer Träume zurückblieb.
    Als das Türchen der Kuckucksuhr aufsprang und der winzige Holzvogel herausschoss, um einen einzigen irren Schrei auszustoßen, wünschte Hebe Jones ihr viel Glück. »Ich kann dir meinen Lippenstift leihen, wenn du magst«, fügte sie hinzu.
    »Ist schon okay, danke. Ich möchte ihn nicht noch ermutigen«, antwortete sie. Dann zog sie den dunkelblauen Mantel über die Bluse von gestern und bog widerwillig um die Ecke. Arthur Catnip wartete bereits am original viktorianischen Schalter und betastete seine tollkühne Frisur. Das Verhängnis war am Morgen in der Teepause

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