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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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so etwas wie der Adrianus von Serbien.«
    »Aber weiß man, Vlad, ob eine Familie im Besonderen das Ziel von Plogojowitz’ Zerstörungswut war?«
    »Na, seine eigene, das sagte ich doch. Es gab neun Todesfälle unter seinen Angehörigen. Was so viel bedeutet wie dass es eine Epidemie gab. Der alte Plogojowitz war daran erkrankt, und er hat seine Infektion auf seine Familie übertragen, die sie an ihre Nachbarn weitergab. So einfach ist das. Später dann, als das Entsetzen um sich griff, hat man einen Sündenbock gesucht, man ist bis zum ersten Toten zurückgegangen, hat ihm einen Pfahl ins Herz getrieben, und die Sache war erledigt.«
    »Wenn die Epidemie nun aber angehalten hat?«
    »Das kam auch oft vor. In dem Fall öffnete man das Grab wieder in der Vorstellung, dass Bruchstücke der unheilvollen Kreatur noch immer aktiv wären, und wiederholte den Vorgang.«
    »Wenn nun aber die Asche in den Fluss geschüttet wurde?«
    »Dann öffnete man eben ein anderes Grab, von einem Mann oder einer Frau, die im Verdacht standen, einen Rest des Ungeheuers vom Scheiterhaufen entwendet und gegessen zu haben und nun ihrerseits zum Vampir geworden zu sein. Und so weiter bis zum Erlöschen der Epidemie. Weshalb man am Ende immer sagen konnte: Und die Todesfälle hörten auf. «
    »Aber sie setzen sich fort, Vladislav! Ein Plögener in Pressbaum und ein Plog in Garches. Zwei Nachfahren von Plogojowitz in Österreich und in Frankreich. Gibt’s hier nicht noch was anderes als Rakija? Das Zeug zerfrisst mich wie dein Kauer und Schmatzer. Ein Bier? Gibt es hier ein Bier?«
    »Jelen Pivo.«
    »Sehr gut, ein Jelen.«
    »Es könnte aber auch etwas anderes geschehen sein, das einen Rachefeldzug ausgelöst hat. Angenommen, Plogojowitz wäre 1725 gar kein Vampir gewesen. Und? Was würdest du dann sagen?«
    Adamsberg lächelte der Wirtin zu, die ihm sein Bier brachte, und überlegte, was »Danke« hieß. Er sah auf seinen Handrücken.
    »Hvala« , sagte er und deutete mit einer Geste an, dass er rauchen wolle, worauf Danica eine Schachtel von unbekanntem Aussehen aus ihrer Rocktasche zog, es waren Moravas.
    »Schenkt sie dir«, sagte Vlad. »Sie fragt, warum du zwei Uhren hast, von denen keine richtig geht.«
    »Sag ihr, ich weiß es nicht.«
    »On ne zna« , übersetzte Vlad. »Sie findet, dass du ein schöner Mann bist.«
    Danica kehrte ins Büro zurück, wo sie ihre Abrechnungen machte, Adamsberg folgte mit den Augen ihrem Gang, dem Wiegen ihrer strammen Hüften unter dem grau-rot gemusterten Rock.
    »Wenn es also gar keinen Vampir gegeben hätte?«, beharrte Vlad.
    »Dann würde ich nach einem Vorfall in der Familiengeschichte suchen, der Vergeltung und Bestrafung mit dem Tode nach sich zog. Ein Mord, von dem keiner etwas wusste, ein verratener Ehemann, ein uneheliches Kind, ein Vermögen, das unterschlagen wurde. Vaudel-Plog war ein sehr reicher Mann und hat sein Geld nicht seinem Sohn vererbt.«
    »Siehst du. Such weiter in dieser Richtung. Dort, wo Geld ist.«
    »Da sind aber die Körper, Vlad. Kaputtgeschlagen, wie um zu verhindern, dass auch nur eine einzige Parzelle sich neu konstituieren könnte. Zerstückelte man die Vampire auch, oder begnügte man sich mit Pfahl und Feuer?«
    »Das alles weiß Arandjel.«
    »Wo finde ich ihn? Wann kann ich ihn sehen?«
    Nach einer kurzen Beratung mit Danica kam Vlad ein wenig erstaunt zu Adamsberg zurück.
    »Es scheint, dass Arandjel dich morgen zum Mittagessen erwartet, er macht gefüllten Kohl. Er weiß schon, dass du den Grabstein gesäubert und betrachtet hast – alle
    Leute wissen es inzwischen. Er sagt, du solltest nicht damit spielen, ohne etwas darüber zu wissen, oder du wirst sterben.«
    »Du sagtest, Arandjel glaubt nicht daran.« »Oder du wirst sterben«, wiederholte Vlad, leerte sein Glas Rakija und brach in Lachen aus.

33
     
    Ein kleiner Pfad führte zu Arandjels Haus am Ufer der Donau, die beiden Männer gingen schweigend nebeneinanderher, man hätte meinen können, ein unerwartetes Vorkommnis habe ihre Beziehung zueinander verändert. Oder aber Vladislavs abendliche Rauchschwaden machten ihn so schweigsam am Morgen. Es war schon heiß, Adamsberg ließ sein schwarzes Jackett in der Hand baumeln, entspannt und mit dem Gefühl, dass das Getöse der Stadt und die Aufregungen der Ermittlung im Dunst des Vergessens versanken, der vom Fluss heraufstieg und das grimmige Bild von Zerk überdeckte, die nervöse Atmosphäre in der Brigade, die ungeheure Drohung, die über ihm

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