Der verbotene Schlüssel
verbergen. Deshalb hatte Theo seinem Freund geraten, »die Schnauze zu halten«. Ihm war der Anblick übrigens schon aus seiner germanischen Kindheit vertraut. Sein druidischer Großvater hatte einen cú faoil, wie ihn die Kelten nannten. Es war die größte Hunderasse der Welt – kein anderer Pelz hätte Lykos gepasst.
Der Blick des Torvic-Layher-Chefs wanderte immer wieder zu dem verkleideten Wolf. Dabei entgleiste jeweils sein Lächeln und ließ einen Ausdruck des Unbehagens durchscheinen.
Ob er die Maskerade bemerkt?, fragte sich Sophia. In einem Karton hatte sie das nachtblaue Fabergé-Ei mitgebracht, sorgfältig eingebettet in Luftbläschenfolie. Sie räusperte sich. »Ich möchte Ihnen noch einmal Danke sagen, Doktor Unruh. Die Replik des Nürnberger Eies hat den … Kunden überzeugt. Sie haben mir das Leben gerettet.«
Der Angesprochene riss sich vom Anblick des falschen Wolfshundes los und brachte seine Gesichtszüge in Ordnung. »Sitzt dieser … Kunde jetzt hinter Schloss und Riegel?«
»Sozusagen.«
»Und du willst mir wirklich nicht mehr darüber verraten?«
Sie lächelte. »Glauben Sie mir, das ist die merkwürdigste Geschichte der Welt. Sie Ihnen zu erklären, wäre ziemlich kompliziert. Aber das hier« – sie stellte die Pappschachtel vor ihm auf den Tisch – »wird Sie trösten.«
Er öffnete den Karton, indem er die obere Hälfte abhob. Mit einem verzückten Lächeln auf dem Gesicht, befreite er das Zwielicht-Ei aus der Schutzverpackung. Schmunzelnd fragte er: »Es ist doch das Original?«
Lykos knurrte und hob drohend die Lefzen.
»Sie können es gerne prüfen.«
Unruh schüttelte verschüchtert den Kopf. »Das wird nicht nötig sein.« Mit einem Mal stutzte er. »Hat der Hund Eisen zähne?«
»Er ist Gebissträger. Hat schon einige Jährchen auf dem Buckel, der Gute.«
»Verstehe«, sagte der Juwelier ohne glaubhafte Überzeugung. »Was ist das für eine Rasse?«
»Er ist ein Wolf im Schafspelz«, antwortete Theo. »Gewissermaßen.«
»Im Schäferhundepelz«, verbesserte ihn Sophia und beugte sich schnell zum Rucksack hinab, der neben ihrem Stuhl stand. Bevor der Unternehmer weiter nachbohren konnte, hatte sie daraus eine Pappröhre zutage gefördert. Auch diese legte sie auf den Schreibtisch.
»Sind das …?«, fragte Unruh merklich aufgeregt.
Sie nickte. »Die Entwürfe meines Vaters. Sie gehören Ihnen. Es wäre schön, wenn es nicht nur bei den Gedanken bliebe, die er sich zu den neuen Fabergé-Eiern gemacht hat. Gedanken sind nur der Anfang von allem. Man muss sie verwirklichen, damit sie die Welt verändern.«
Dem Firmenchef fiel in seiner freudigen Erregung nicht auf, dass Sophia zum Schluss nicht mehr von den Preziosen, sondern von etwas viel Umfassenderem gesprochen hatte. »Da sei unbesorgt. Ich kenne ja die meisten seiner Arbeiten und war schon immer davon begeistert. Die Marke Fabergé wird durch die Rasmus-Kollin-Kollektion in neuem Glanz erstrahlen.«
»Sie wollen eine Serie unter Papas Namen herausbringen?«
»Das ist das Mindeste, was ich für einen so bedeutenden Goldschmied tun kann.«
»Mensch, fast hätte ich das vergessen!« Sophia sprang von ihrem Besucherstuhl hoch, riss Unruh das Fabergé-Ei aus der Hand, öffnete es und entnahm ihm den kosmischen Mechanismus. Nachdem sie das Zwielicht-Ei wieder verschlossen hatte, reichte sie es dem Juwelier zurück. »Entschuldigung, das Nürnberger Ei gehört nicht zum Geschäft.«
Doktor Unruhs Augen blickten starr auf das Gehäuse in Sophias Händen. »Willst du dir das nicht noch einmal überlegen? Ich würde dir einen fairen Preis dafür zahlen.«
»Danke, aber diese Uhr können Sie mit der ganzen Welt nicht aufwiegen.«
»Eine Million Euro«, sagte Unruh. In seinen Augen funkelte ein begehrliches Feuer.
Lotta sog hörbar die Luft ein.
»Nicht für alles Geld der Welt«, erwiderte Theo.
Dem Mann war anzusehen, wie sehr ihn der Einwurf des Jungen ärgerte. Er wirkte angespannt, geradezu verbissen. Bisher hatte er Theo in seine Kalkulation nicht miteinbezogen. Er schien im Kopf noch einmal alles zu überschlagen und erhöhte sein Angebot. »Fünf Millionen.«
Lotta stieß einen kleinen Schrei aus.
Theo steckte das Nürnberger Ei in den Rucksack seiner Freundin. Seine Bewegungen waren ruppig, fast mechanisch. »Wenn wir hier fertig sind«, sagte er, »dann sollten wir jetzt gehen.«
Sophia sah ihn mit einer Mischung aus Zuneigung und Sorge an. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Theo. Du hast jetzt
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