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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Varzils Hand auf dem Abbild seiner Hand. Sein Körper formierte sich von neuem, aber er fühlte sich schwach und krank. Er konnte Varzil nur undeutlich sehen, und hinter ihm war ein Kreis von Gesichtern, ein glitzernder Ring von Steinen, Gesichter von Comyn , die seine längst vergessenen Ahnen sein mußten. Varzils Stimme klang tief besorgt.
    »Du darfst nicht länger hier bleiben, Cousin. Diese Ebene bedeutet den Tod für den Ungeübten. Komm zurück, wenn es sein muß, sobald du die volle Kraft eines Tenérezu gewonnen hast. Fürchte nichts für die geliebte Frau, Damon. An dir als ihrem Bewahrer ist es, sie durch das altehrwürdige Sakrament des Jahresendes zu führen, als sei sie zur Hälfte Chieri und deshalb Emmasca . Leider mußt du bis zum Fest warten, wenn sie in der Zwischenzeit als Bewahrerin zu arbeiten hat, aber danach wird alles gut werden. Und nicht in dreihundert Jahren und auch nicht in tausend wird ein Kind der Türme jemals das Fest vergessen.« Damon schwankte benommen, und wieder stützte Varzil ihn. Mit freundlicher Besorgtheit sagte er: »Blick in meinen Ring. Ich werde dich auf eine Ebene zurückschicken, die ungefährlich für dich ist. Hab keine Angst, dieser Ring hat nichts von den Gefahren einer gewöhnlichen Matrix. Lebe wohl, Verwandter, bringe der, die deinem Herzen teuer ist, meine Liebe und meine Grüße.«
    Damon fühlte sein Bewußtsein schwinden. Er stammelte: »Ich … ich verstehe nicht.« Nichts blieb deutlich außer Varzils Ring, der leuchtete und blitzte und die Dunkelheit auslöschte.
    Das habe ich schon einmal gesehen, wie einen Lichtstrahl .
    Er war nicht mehr fähig zu sprechen, er konnte keine Wörter bilden. Aber Varzil war dicht neben ihm in der Dunkelheit. Ja, ich werde jetzt gehen und ein Licht aufstellen, das dich hierher führen wird … diesen Ring .
    Damon dachte verwirrt:
    Das Licht habe ich schon einmal gesehen.
    Mühe dich nicht mit Definitionen der Zeit ab, Cousin. Wenn du Bewahrer bist, wirst du es verstehen.
    Zu meiner Zeit gibt es keine männlichen Bewahrer.
    Aber du bist ein Bewahrer, oder du wärst nie lebendig hier erschienen. Jetzt darf ich deine sichere Rückkehr nicht länger verzögern, Cousin, Bruder …
    Das Glänzen des Rings füllte Damons Bewußtsein. Er sah nichts mehr, das Licht verließ ihn, sein Körper verlor die Festigkeit. Er trieb über einem Abgrund des Nichts dahin und kämpfte darum, im Gleichgewicht zu bleiben. Irgendwo klammerte er sich an, wurde weggerissen, fiel. Muß ich alle diese Ebenen hinunterfallen, die ich so mühsam erstiegen habe …?
    Er fiel, und er wußte, er würde fallen und fallen, Hunderte von Jahren lang.
     
    Dunkelheit. Schmerz. Unfaßbare Müdigkeit. Dann Callistas Stimme: »Ich glaube, jetzt kommt er zu sich. Andrew, willst du bitte seinen Kopf anheben? Elli, wenn du nicht aufhörst zu heulen, schicke ich dich hinaus. Das ist mein Ernst!« Er spürte den stechenden Geschmack von Firi auf seiner Zunge, und nun kam Callistas Gesicht in seinen Sichtbereich. Er flüsterte mit klappernden Zähnen: »Kalt … mir ist so kalt …«
    »Nein, dir ist nicht kalt, Lieber«, sagte Callista sanft. »Du bist in alle Decken eingewickelt, die wir haben, und an deinen Füßen liegen heiße Ziegelsteine, siehst du? Nein, es gibt keinen Firi mehr. In einer Minute bekommst du heiße Suppe.«
    Er konnte wieder sehen. Jede Einzelheit seiner Reise und des Gesprächs mit Varzil kehrte ihm ins Gedächtnis zurück. Hatte er wirklich einen Vorfahren getroffen, der schon so lange tot war, daß sogar seine Knochen sich in Staub verwandelt hatten? Oder träumte er, gestaltete er Wissen, das tief in seinem Unterbewußtsein verborgen lag? Oder war sein Geist tief in die Vergangenheit gewandert, um zu sehen, was auf der Struktur der Zeit geschrieben stand? Was war Wirklichkeit?
    Aber welches Fest hatte Varzil gemeint? Er hatte gesagt, nicht in dreihundert und nicht in tausend Jahren würden die Comyn das Fest und das Sakrament vergessen. Doch Varzil hatte nicht mit dem Zeitalter des Chaos gerechnet, nicht mit der Zerstörung des Turms von Neskaya.
    Immerhin, die Antwort war da. Bisher war sie dunkel, aber Damon erkannte bereits, wohin sie führte. Der Geist drückt dem Körper seinen Stempel auf . Also mußte er Callistas Geist irgendwie in die Zeit zurückführen, als ihr Körper noch frei von den grausamen Beschränkungen ihrer Jahre als Bewahrerin war. An dir als ihrem Bewahrer ist es, sie durch das altehrwürdige Sakrament des

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