Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
mit den Zehen. »Mich würde es gar nicht wundern, wenn ich doch Frostbeulen hätte. Auf einer Ebene kletterte ich über Eis – oder dachte, ich tue es«, setzte er, in der Erinnerung schaudernd, hinzu.
    »Zieh seine Slipper aus und sieh nach, Ellemir.«
    »Ach, Callie, ich habe doch nur Spaß gemacht …«
    »Ich nicht. Hilary war einmal auf einer Ebene gefangen, wo Feuer zu sein schien, und kam mit Verbrennungen und Blasen an den Fußsohlen zurück. Sie konnte tagelang nicht laufen«, sagte Callista.
    »Leonie pflegte zu sagen: ›Der Geist drückt dem Körper seinen Stempel auf.‹ Damon, was ist?« Sie beugte sich vor, betrachtete seine bloßen Füße und lächelte. »Nein, körperliche Verletzungen hast du nicht davongetragen, aber ich weiß, daß du dich halb erfroren fühlst . Vielleicht solltest du, wenn du mit deiner Suppe fertig bist, ein heißes Bad nehmen. Es wird die Blutzirkulation anregen.«
    Sie spürte Andrews fragenden Blick und fuhr fort: »Ehrlich, ich weiß nicht, ob sein Körper die Kälte der Ebenen reflektiert oder ob es etwas in seinem Geist ist. Ich weiß auch nicht, ob der Kirian es dem Geist erleichtert, Bilder auf den Körper abzustrahlen, oder ob er die Zirkulation verlangsamt und man sich deshalb Kälte vorstellt. Aber was es auch sein mag, die subjektive Erfahrung in der Überwelt ist Kälte , eisige Kälte, die durch Mark und Bein geht. Ich will nicht darüber streiten, woher die Kälte kommt, aber erfahren habe ich sie oft genug. Deshalb weiß ich, daß heiße Suppe, heiße Ziegelsteine, heiße Bäder und eine Menge Decken für jeden bereit sein müssen, der von einer solchen Reise zurückkehrt.«
    Damon hatte keine Lust, allein zu bleiben, auch im Bad nicht. Solange er flach lag, fühlte er sich gut, aber als er versuchte, sich aufzusetzen und zu gehen, kam ihm sein Körper bis zur Unstofflichkeit verdünnt vor. Ohne daß seine Füße den Boden spürten, tat er ein paar körperlose Schritte und verblaßte im leeren Raum. Er schämte sich, als er sein leises Jammern hörte.
    Andrews starker Arm schob sich unter seinen, stützte ihn, gab ihm das Gefühl der Realität zurück. Halb entschuldigend sagte Damon: »Tut mir leid, ich komme mir immerzu vor, als ob ich verschwinde.«
    »Ich lasse dich nicht fallen.« Schließlich mußte Andrew ihn beinahe ins Bad tragen. Das heiße Wasser brachte Damon das Bewußtsein seiner physischen Realität zurück. Andrew, von Callista über diese Reaktion aufgeklärt, war erleichtert, als Damon allmählich wieder wie er selbst aussah. Auf einem Schemel neben der Wanne Platz nehmend, sagte Andrew: »Ich bin hier, wenn du mich brauchst.«
    Überfließende Wärme und Dankbarkeit erfüllten Damon. Wie gut sie alle zu ihm waren, wie freundlich, liebevoll und um sein Wohlergehen besorgt! Wie er sie alle liebte! Er lag in seinem Bad, schwebend, euphorisch, und das Gefühl der Beglückung war ebenso groß wie vorher sein Elend, bis das Wasser abzukühlen begann. Andrew ging nicht auf Damons Bitte ein, seinen Leibdiener holen zu lassen. Er hob den Freund aus der Wanne, trocknete ihn ab und hüllte ihn in einen Mantel. Als sie zu den Frauen zurückkehrten, war Damon immer noch in gehobener Stimmung. Callista hatte weiteres Essen kommen lassen, und Damon aß langsam. Er genoß jeden Bissen, und noch nie hatte ihm etwas so frisch, so süß, so gut geschmeckt.
    Er wußte selbst, daß sein augenblicklicher Zustand nur Teil der Reaktion war und früher oder später einer schrecklichen Depression weichen würde. Aber er klammerte sich daran, versuchte, jeden Augenblick voll zu erleben. Als er so viel gegessen hatte, wie er nur irgend konnte (auch Callista hatte nach der Anstrengung des langen Überwachens wie ein Scheunendrescher reingehauen), bat er: »Ich möchte nicht allein sein. Können wir nicht alle zusammenbleiben, wie wir es beim Mittwinterfest gemacht haben!«
    Callista zögerte. Dann antwortete sie mit einem Blick zu Andrew: »Sicher. Niemand von uns wird dich verlassen, solange du unsere Nähe brauchst.«
    Andrew, der wußte, wie äußerst unangenehm Damon und Callista in ihrem augenblicklichen Zustand die Anwesenheit nichttelepathischer Diener sein würde, trug das Geschirr und die Überreste des Essens aus dem Zimmer. Als er zurückkam, lagen sie alle im Bett. Callista, dicht an der Wand, war bereits eingeschlafen. Damon hatte die Augen geschlossen und hielt Ellemir in seinen Armen, ihr Haar an seiner Wange, um sich zu vergewissern, daß er, er selbst

Weitere Kostenlose Bücher