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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nickte mit ernstem Gesicht. Ein starker Frost wie dieser hatte während seiner Kinderzeit in der Nähe von Corresanti die Hälfte aller Männer der Stadt mit fehlenden Fingern und Zehen, die nach schweren Erfrierungen abgefallen waren, zurückgelassen. Andere waren an den Folgeerscheinungen wie Infektionen und Brand gestorben. »Wofür würdest du dich entscheiden?«
    Ferrika antwortete zögernd: »Es ist nicht die bei Erfrierungen übliche Behandlung, aber ich würde ihre Füße in Wasser baden, das ein bißchen mehr als Bluttemperatur hat, jedoch nicht heiß ist. Ich habe den Männern bereits verboten, ihre Füße zu reiben, weil sich sonst die Haut ablösen könnte. Der Frost sitzt tief im Fleisch. Sie werden von Glück sagen können, wenn sie nicht mehr als Haut verlieren.« Ein bißchen ermutigt dadurch, daß Damon nicht widersprach, setzte sie hinzu: »Ich würde ihnen heiße Packungen um die Körper machen, um die Blutzirkulation zu fördern.«
    Damon nickte. »Wo hast du das gelernt, Ferrika? Ich fürchtete, ich würde dir die Anwendung der alten Hausmittel verbieten müssen, die mehr schaden als nützen. Das ist die in Nevarsin angewandte Behandlung, und ich mußte darum kämpfen, sie in Thendara bei der Garde durchzusetzen.«
    Ferrika erklärte: »Ich bin im Amazonen-Gildenhaus in Arilinn geschult worden, Lord Damon. Sie bilden dort Hebammen für alle Domänen aus, und sie wissen eine Menge über das Heilen von Krankheiten und Versorgen von Wunden.«
    Dom Esteban runzelte die Stirn. »Weiberunsinn! Als ich ein Junge war, wurde uns eingeschärft, ein erfrorenes Glied niemals mit Hitze in Berührung zu bringen, sondern es mit Schnee zu reiben!«
    »Aye«, fiel der Mann ein, dessen Füße formlos und geschwollen waren, »ich habe mir von Narron die Füße mit Schnee reiben lassen. Als mein Großvater sich unter der Regierung des alten Marius Hastur die Füße erfror …«
    »Ich kenne deinen Großvater«, unterbrach Damon ihn. »Er geht jetzt mit zwei Stöcken bis ans Ende seines Lebens, und mir sieht es ganz so aus, als habe dein Freund versucht, dir das gleiche Schicksal zu bereiten, Junge. Vertraue mir, und ich werde besser für dich sorgen.« Er wandte sich an Ferrika. »Mache die Umschläge nicht mit warmem Wasser allein, sondern mit einem sehr starken Schwarzdornaufguß. Das wird das Blut in die Glieder und zurück zum Herzen ziehen. Und gib ihnen auch etwas davon zu trinken, es regt den Kreislauf an.« Zu dem verletzten Mann sagte er aufmunternd: »Diese Behandlung wird in Nevarsin angewandt, wo das Wetter schlimmer als hier ist, und die Mönche behaupten, sie hätten schon Leute gerettet, die andernfalls fürs Leben lahm geblieben wären.«
    »Könnt Ihr nicht helfen, Lord Damon?« flehte der Mann namens Raimon, und Damon sah auf die gräulich blauen Füße und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, ehrlich, Junge. Ich werde alles tun, was ich kann, aber das ist die schwerste Erfrierung, die ich gesehen habe. Es ist bedauerlich, aber …«
    »Bedauerlich!« Die Augen des Mannes flammten vor Schmerz und Wut. »Ist das alles, war Ihr dazu zu sagen habt, Vai Dom ? Ist das alles, was es für Euch bedeutet? Es gibt kein Haus in Adereis und Corresanti, das nicht einen, vielleicht auch zwei oder drei Männer durch das verfluchte Katzenvolk verloren hat, und vom letzten Herbst her verdorrt die nicht eingebrachte Ernte auf den Feldern, so daß jetzt schon in diesen Bergen Hunger herrscht! Und nun ist mehr als ein Dutzend starker Männer auf Monate hinaus arbeitsunfähig, und vielleicht werden sie nie mehr laufen können! Und Ihr habt dazu nicht mehr zu sagen als: ›Es ist bedauerlich.‹« In seinem breiten Dialekt äffte er zornig Damons gewählte Sprache nach.
    »Für Euresgleichen ist ja alles in bester Ordnung, Vai Dom , Ihr werdet keinen Hunger leiden, mag geschehen, was wolle! Aber was wird aus meiner Frau und meinen kleinen Kindern? Was aus meines Bruders Frau und ihren Kleinen, die ich zu mir nahm, als mein Bruder im Dunkelland wahnsinnig wurde und sich selbst umbrachte, so daß jetzt die Katzenhexen mit seiner Seele spielen mögen? Was wird aus meiner alten Mutter und ihrem Bruder, der auf dem Schlachtfeld von Corresanti ein Auge und ein Bein verlor? Es sind schon zu wenig gesunde Männer in den Dörfern, so daß sogar die kleinen Mädchen und die alten Frauen auf den Feldern arbeiten, es sind zu wenig Hände für die Ernte und die Tiere und für die Nachlese der Nußbäume, bevor der Schnee

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