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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Gefühl, er und nicht Damon sollte verlegen sein. »In einigen Kulturen ja. Meine gehört dazu. Aber ich bin auf eurer Welt, deshalb muß ich mich an eure Sitten gewöhnen, nicht du dich an meine.«
    Es war dumm, dachte Andrew, jetzt verlegen zu werden oder in Zorn zu geraten bei der Erinnerung daran, wie Damon sich heute Nacht nackt über Callista beugte und ihren zarten, zerschlagenen Körper betrachtete.
    Damon zuckte die Schultern und meinte harmlos: »Derartige Tabus gibt es hier nicht viele. Einige unter den Cristoferos oder bezüglich der Anwesenheit von Nichtmenschen oder unter verschiedenen Generationen. Ich würde zum Beispiel nicht gern nackt in einer Gruppe von Altersgenossen meines Vaters oder Dom Estebans erscheinen. Doch verboten ist es nicht, und ganz gewiß wäre es nicht so peinlich, wie es dir peinlich zu sein scheint. Ohne triftigen Grund würde ich auch nicht nackt in eine Schar von Hausmädchen marschieren, aber sollte das Haus brennen oder etwas Ähnliches passieren, würde ich nicht zögern. Jedoch ein Mann meines eigenen Alters, verheiratet mit der Schwester meiner Frau …« Hilflos zuckte er die Schultern. »Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.«
    Andrew sagte sich, daß er es sich schon heute Nacht hätte denken können, als Ellemir sich ihrer Nacktheit offenbar gar nicht bewußt war.
    Damon spritzte sich Wasser ins Gesicht und danach eine grüne, angenehm riechende Kräuterlotion. Der Geruch erinnerte Andrew an Callistas kleinen Destillierraum. Damon zog sich das Hemd über die Schultern. Er lachte: »Und was Elli angeht, solltest du erleichtert sein. Es bedeutet, daß sie dich als Familienmitglied akzeptiert hat. Oder wäre es dir lieber, wenn sie sich vor dir schämte und sich in deiner Gegenwart sorgfältig bedeckt hielte, als ob du ein Fremder wärst?«
    »Nein, wenn du nichts dagegen hast.« Aber bedeutete das nicht, daß Ellemir ihn nicht als Mann sah? War das nicht eine subtile Art, ihn zu entmannen?
    »Laß dir Zeit«, riet Damon, »es wird alles von selbst in Ordnung kommen.« Unbefangen zog er sich an. »Schneit es noch?«
    »Stärker denn je.«
    Damon trat ans Fenster, aber als er die Flügel öffnete, um hinauszusehen, fuhr der heulende Wind wie ein Hurrikan ins Zimmer. Schnell schlug er das Fenster wieder zu. »Callie ist wach? Wer ist bei ihr? Gut, ich hatte gehofft, Ellemir werde Verstand genug haben, die Mädchen fern zu halten. Für Callie in ihrem Zustand wäre die Anwesenheit jedes Nichttelepathen nahezu unerträglich. Darum hatten wir niemals menschliche Diener in den Türmen, weißt du.« Er ging zur Tür. »Habt ihr schon irgendetwas zu essen gehabt?«
    »Noch nicht.« Andrew dachte erst jetzt daran, daß die Mittagsstunde vorüber und er sehr hungrig war.
    »Willst du nach unten gehen und Rhodri bitten, etwas hinaufzuschicken? Ich denke, wir alle sollten in Callistas Nähe bleiben«, sagte Damon, und dann zögerte er. »Ich möchte dir eine unangenehme Aufgabe aufhalsen. Du wirst zu Dom Esteban gehen und ihm irgendeine Erklärung geben müssen. Auf mich braucht er nur einen Blick zu werfen, um die ganze Geschichte zu wissen – er kennt mich, seit ich neun Jahre alt war. Ich glaube nicht, daß er dich ausforschen wird. Du bist ihm immer noch so weit fremd, daß er sich dir gegenüber ein bißchen reserviert verhält. Macht es dir wirklich nichts aus? Ich kann ihm einfach nicht gegenübertreten.«
    »Mir macht es nichts aus«, erklärte Andrew. Das stimmte nicht, aber er war sich klar darüber, daß es nichts als Höflichkeit war, dem verkrüppelten Lord Alton eine Erklärung zu geben. Es war längst nach der Zeit, zu der Ellemir sonst ihre Haushaltspflichten erledigte, und Dom Esteban war an Callistas Gesellschaft gewöhnt.
    Andrew teilte dem Haushofmeister mit, sie seien alle lange auf gewesen und wollten in ihren Zimmern frühstücken. Eingedenk dessen, was Damon über die Anwesenheit von Nichttelepathen gesagt hatte, betonte er, niemand solle die Suite betreten. Das Essen könne draußen abgestellt werden. Der Mann antwortete: »Gewiß, Dom Ann’dra«, ohne eine Spur von Neugier zu verraten, als handele es sich um einen ganz alltäglichen Auftrag.
    In der Großen Halle saß Dom Esteban in seinem Rollstuhl am Fenster, und der Gardist Caradoc leistete ihm Gesellschaft. Mit Erleichterung stellte Andrew fest, daß Dezi nirgendwo zu sehen war. Dom Esteban und Caradoc spielten ein dem Schach ähnliches Brettspiel, das Damon einmal versucht hatte, Andrew

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