Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
das noch erkennen.“
    Die Männer nehmen den großen Stein der Reihe nach in die Hand und betrachten ihn von allen Seiten. Deutlich können sie die Mörtelreste sehen. Es gibt keinen Zweifel, Steine dieser Art werden am Bahnhof nicht vermauert.
    Schlächtermeister Brating, der ja zwei Jahre auf dem Mückentaler Gymnasium war, sagt: „Der Stein ist mit der Hand geformt worden. Heute macht man das nur noch mit Maschinen.“
    Tatta Knobel, der zu dieser Sitzung eingeladen wurde, damit er den fahrlässigen Hauptmann vom Tisch weg verhaften kann, sagt laut und sehr verärgert: „Was für ein Unsinn! Nun hat man den Dieb endlich gefangen, da kommen Sie und tischen uns ein Märchen auf. Wir haben nur einen Dieb in Hasenkrug, und das ist Henner Blau, basta! Wenn der wieder gesund ist, tritt er seine Strafe an. Für den großen Stein wird sich schon noch eine Erklärung finden lassen. Vielleicht war der Mann in der Ziegelei, der die Maschine bedient, betranken und hatte die Hebel falsch eingestellt. Ich gebe jedenfalls Henner Blau nicht wieder heraus. Seit er krank beim dicken Fidi liegt, ist in Hasenkrug nichts Schlimmes mehr passiert.“
    Just in diesem Augenblick wird die Tür heftig aufgestoßen, und Frau Brating stürzt ins Zimmer.
    „Entschuldigen Sie, daß ich Sie in Ihrer wichtigen Arbeit unterbrechen muß“, sagt sie, ganz außer Atem, „aber ich habe Herrn Knobel etwas Furchtbares zu melden!“
    Und schon steht sie neben Tatta, der sie ernst und streng anblickt.
    „Aus unserem Laden wurden soeben sieben Mettwürste und zwei Schinken gestohlen“, stößt sie hervor. „Wenn Sie schnell kommen, können Sie den Dieb vielleicht noch erwischen!“
    Tatta Knobel ist über diese Meldung gar nicht erfreut, hat er doch eben noch behauptet, in Hasenkrug gebe es nur einen Räuber.
    „Hat denn Henner Blau einen Bruder?“ fragt er ratlos.
    Auch die klugen Männer schauen ziemlich unklug drein. Nur der kleine Fidi, der seiner Mutter beim Gläserspülen hilft, lacht unverschämt. Und Frau Nasenblum sagt schlicht: „Das hat jedenfalls nicht Henner Blau getan!“
    Bevor die Männer Zeit finden, sich von ihrem Schreck zu erholen, öffnet sich die Tür wieder. Hereingerannt kommt Frau Treberlan. Sie ist so verwirrt, daß sie nicht einmal guten Abend sagt. Mit Tränen in den Augen stellt sie eine grüne Geldkassette vor Tatta Knobel auf den Tisch.
    „Mein Geld“, schluchzt sie, „mein ganzes Geld ist weg. Viertausenddreihundertundachtzig Mark und sieben Pfennige waren es. Gestohlen! Und wir wollten uns doch im Herbst das Dach erneuern lassen dafür!“
    Tatta Knobel schaut in die Kassette. Sie ist leer. Da wird ihm heiß in seiner engen Uniform. Aber er soll noch ins Schwitzen kommen, denn nun geht es erst richtig los. Eine Frau nach der andern kommt ins Gasthaus und meldet den Verlust von Geld oder irgendwelchen Gegenständen. Im ganzen versammeln sich siebzehn Frauen um den bedauernswerten Tatta Knobel, der sich keinen Rat weiß und hilflos nach seinem klugen Polizeihund aus England ruft. Als der endlich mit einem Satz durch das offene Fenster hereinspringt, hat er noch eine halbe Platte Butterkuchen quer im Maul, die er blitzschnell auffrißt. Frau Bodenluk, die ihm mit einem Besen in der Hand folgt, kann nur durch ihren Mann daran gehindert werden, ihm eine gehörige Tracht Prügel zu geben.

    Henner Blau liegt seit drei Wochen krank im Gästezimmer des dicken Fidi, und in Hasenkrug wird mehr Böses getan als je zuvor.
    Die klugen Männer bemühen sich um die aufgebrachten Frauen. Dabei haben sie natürlich keine Zeit, nachzudenken. Und so ist wieder einmal Frau Nasenblum der klügste Mann. Sie bittet nämlich um Ruhe und fragt alle Frauen dasselbe: „Hatten Sie Ihre Haustüren auch fest abgeschlossen?“
    Da müssen die Frauen zugeben, daß sie ihre Türen seit Henner Blaus Gefangennahme nicht mehr abgeschlossen hätten. „Wozu denn, wenn der Räuber in Gips liegt?“ fragt Frau Treberlan.
    Jetzt merkt selbst Tatta Knobel, daß es außer Henner Blau noch andere Räuber in Hasenkrug geben muß, Räuber, die man gar nicht erkennen kann, weil sie umhergehen wie anständige Leute, und die gerade deshalb so gefährlich sind.
    Frau Nasenblum aber sagt laut: „Wenn es so viele Diebe in unserer Stadt gibt, die Wurst, Geld und Butterkuchen stehlen, dann wird es auch einen geben, der Steine stiehlt. Ich bin überzeugt, daß Henner Blau unschuldig ist.“
    Die andern klugen Männer, die durch diese Worte wieder an die beiden

Weitere Kostenlose Bücher