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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Gras der Wiese zu fressen. Sie starrten wie ihre Herren in die Nacht.
    Vier oder fünf Minuten vergingen. Aus der Asche seiner Angst stieg eine nie gekannte Unruhe in Finn auf, die sich aus der Sorge um die Rudenforster und aus der Ungewissheit um ihr Schicksal nährte.
    Da hörten sie eilige, sich nähernde Schritte aus der Richtung, in der Circendil verschwunden war, und atmeten auf. Sie dachten an Mellows Eltern und die Gefahr, in der sie schwebten, und jede Minute, die sie hier nutzlos verweilten, brachte womöglich ihre Hilfe um genau diese Minuten zu spät.
    Die Vahits steckten ihre Wacalas zurück und machten sich zumAbmarsch bereit. Mellow drehte Vanku zur Straße der Schneider, dorthin, wo das Tor im Zaun war, und zog Gwaeth neben sich, auf dass sie sofort losreiten konnten, sobald Circendil aufgesessen war. Finn ließ Smod an Mellows andere Seite vorgehen. »Was hast du gefunden?«, fragte er, als er die schweren, laufenden Schritte dicht hinter sich hörte, und drehte sich im Sattel um.
    Er bekam keine Antwort, zumindest keine, die er erwartet hatte. Etwas bewegte sich rasend schnell auf die Ponys zu. Ein eiserner Griff legte sich um seinen Hals und riss ihn mit einem schmerzhaften Ruck über Smods Kopf hinweg. Sein Genick knackte. Er fürchtete, es würde jeden Augenblick brechen.
    Erst sah er nur wirbelnde Beine und Wolken aus Qualm und verlor sekundenlang das Gefühl für oben und unten. Dann erkannte er entsetzt, dass er am Arm eines rennenden Gidrogs zappelte. Die Hand, die ihn gepackt hielt, schnürte ihm die Kehle zu. Er bekam keine Luft mehr. Er vermochte nicht einmal zu schreien. Am anderen Arm erging es Mellow ebenso: Auch er baumelte hilflos im Griff des Criargreiters. Er krallte sich mit beiden Händen an den Daumen, der seinen Hals zusammendrückte. Der Gidrog grunzte; oder war es ein zufriedenes Schnaufen? Wohin er mit ihnen lief, war einerlei. Er hielt beide Arme vor sich gestreckt, und in jeder Hand zappelte ein Vahit. Dumpf trommelten seine Lederfüße über den Wiesengrund, der nur noch wirbelnde Fläche war, sonst nichts.
    Finn fühlte ein schmerzhaftes Pochen in seinen Schläfen. Er ahnte, dass er diesen unbarmherzigen Klammergriff nur noch wenige Sekunden überstehen würde. Vielleicht nicht einmal das. Dann würde er das Bewusstsein verlieren oder   …
    Seine Hand stieß gegen etwas Hartes; das Heft seines Wacalas.
    Irgendwie schaffte er es, die Klinge aus der Scheide zu ziehen. Doch sein Blick wurde trübe. Er sah nichts mehr als rote Schlieren. Luft, nur Luft, nur einen einzigen Atemzug, dachte er flehentlich, und stieß das Messer mit allerletzter Kraft von sich. Es fuhr schräg nach oben in die Achselhöhle des Gidrogs. Die breite, scharfe Klinge verschwand vollständig darin.
    Ein Schwall dunklen Blutes spritzte über Finns Gesicht. Der Gidrog schrie auf. Ob aus Schmerz oder Verwunderung, vermochte Finn auch später nicht zu sagen.
    Die klammernde Hand ließ ihn fahren. Finn fiel und purzelte in das Gras, wo er sich mehrfach überschlug. Der Gidrog stolperte, nur wenige Schritte entfernt. Er keuchte. Im nächsten Moment ließ er auch Mellow fallen.
    Mit einem wütenden Schrei riss er sich Finns Klinge aus dem Leib und starrte sie an, als könne er nicht fassen, sein eigenes Blut zu sehen, das von dem scharfen Metall tropfte. Wütend schleuderte er das Wacala von sich. Es wirbelte an Finn vorbei und verfehlte ihn knapp.
    Der Gidrog presste die Hand unter die Achsel, drehte sich um und wankte fort. Jetzt sah Finn auch, wohin. Ganz dicht am Dornenzaun, aber noch auf dieser Seite hockten zwei Criargs, graubraune Buckel im fahlen Gras, gut zwanzig Klafter entfernt. Ihre Raubvogelgesichter starrten sie an.
    Der Gidrog rief etwas, krächzend oder gurgelnd. Oder es waren Worte, die in seiner Sprache danach klangen. Er erreichte den ersten Vogel. Mit der unverletzten Hand zog er sich in den Sattel hinauf. Der Vogel begann im selben Moment aufzustehen und zu laufen. Der ledige Criarg reckte den Hals, dann lief auch er. Die gewaltigen Klauen der beiden Vögel zerrissen im Anlauf die Wiese. Erdbrocken flogen davon, einer davon traf Finn mitten vor die Brust.
    Die Criargs wurden schneller und breiteten ihre Schwingen aus. Sie rannten flügelschlagend entlang des Zauns nach Süden. Finn krabbelte über das Gras und tastete fieberhaft nach seinem Wacala. Als er es endlich in Händen hielt   – schmierig und blutbesudelt   – merkte er, wie sehr er zitterte. Er rannte geduckt zu Mellow

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