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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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sahen. Stellenweise stapften Smods Hufe zudem in über den Boden kriechende Nebelfetzen, doch das Pony besaß gute Augen; es zog den Wagen sicher, wenn auch langsamer als gestern.
    Es ging in langem Zickzack immer nur bergauf. Sie kamen an mehr als einer Lichtung vorbei, wo sie noch die Spuren der Rudenforster Holzarbeit sehen konnten: tiefe Hufeindrücke von Ponys und Wagenrillen, in denen dunkles Wasser stand; Flächen mit Sägespänen, gelblich wie Knochenmehl; abgeschabte Rinde, zu Haufen gerecht; mannshoch gestapelte Stämme, am Wegesrand wartend.
    Dann wurde der Wald dichter, die Eichen und Buchen blieben zurück, und Tannen und Kiefern verströmten, je höher sie kamen, einen würzigen Duft nach Feuchtigkeit und frischem Harz. Unter den Zweigen hörten sie immer wieder verborgene Rinnsale über ausgewaschene Steine plätschern.
    Entlang des Weges wuchsen Farndickichte, durch die ab und zu etwas huschte, ohne dass sie zu entdecken vermochten, was es war; sie sahen nur die Farnwedel wippen, und Smod drehte die Ohren, wenn sie daran vorüberfuhren. Dann wieder knackte es im Unterholz, ohne dass sie ahnten, weshalb. Wenn es Gatabaid wäre, würde sie vermutlich rufen und sich nicht noch tiefer im Wald verstecken, hoffte Finn und blinzelte einem nachwippenden Kiefernzweig hinterher.
    »Und du hast keine weiteren Anzeichen des armen Mädchens mehr gefunden?«, brach er endlich das lange Schweigen.
    »Ich säße wohl nicht hier und zerbräche mir den Kopf darüber, wo sie sein könnte!« Mellows Antwort kam schnell und missmutig. »Leider hat sie vergessen, ihr Kleid zu zerreißen und in kleinen Fetzen hinter sich auszustreuen, damit wir sie leichter finden können.«
    »Ich mache dir doch gar keinen Vorwurf«, beeilte sich Finn zu versichern. »Die Geschichte lässt mich nur nicht mehr los seit gestern Abend.«
    »Da sind wir schon zwei.« Mellow lachte humorlos auf. »Klinge ich gar so schrecklich? Verzeih mir meine miese Laune an diesem Morgen. Ich bin mit meiner Weisheit nur ziemlich am Ende, musst du wissen. Bei der Eiche, du erinnerst dich, der Baum, auf dem ich Ianam fand, da war der Waldboden hart und voller Wurzeln. Dazu haben Vahitkinder einen sehr leichten Tritt   – sosehr ich meine Augen auch bemühte, ich konnte nichts finden, das mir weiterhalf.Keine Schleifspur, nichts. Erst auf der Lichtung, im niedergedrückten Gras …«
    »Richtig, die seltsamen Abdrücke. Meinst du, eine neue Art Raubtier ist ins Hüggelland eingedrungen?«
    »Wegen der Krallen oder Klauen?« Mellow nickte nachdrücklich. »Ich wüsste nicht, was es sonst sein könnte. Vergiss den großen Vogel nicht, den du gestern gesehen hast. Ich fürchte, etwas, das weitaus mächtiger ist als ein Adler, hat unseren Obergau für sich entdeckt. Es reißt Schafe, schreibt dein Banavred   – da wird es Vahitmädchen nicht verschmähen!«
    »Aber du hast weder Blutspuren entdeckt noch …« Er stockte.
    »Noch Knochen gefunden?«, ergänzte Mellow. »Wer sagt, dass es Gatabaid an Ort und Stelle gefressen hat? Krallen dieser Größe können ein Mädchen mit Leichtigkeit packen. Vielleicht hat es einen Horst in den Bergen, in den es mit seiner Beute zurückkehrt. Sahst du den Vogel nicht nach Norden ziehen?«
    »Das ist richtig. Nur, wissen wir denn, ob es wirklich ein Vogel ist? Ich meine, es stimmt, ich habe einen gesehen. Aber ich bin mir längst nicht sicher, ob es nicht doch ein Aari war. Und weder Banavred noch du habt mehr entdeckt als krallenartige Abdrücke im feuchten Erdreich. Vielleicht fliegt es gar nicht, sondern schleicht doch auf weichen Tatzen durch den Wald?«
    Wieder knackte es, und sie lauschten beide, als könnten sie jeden Augenblick von einer solchen Tatze überrascht werden.
    »Nur ein Eichhorn, weiter nichts   – schau«, sagte Finn und stieß den angehaltenen Atem aus. Etwas Rotgeschweiftes flitzte einen Baum hinauf und beäugte sie neugierig von einem über den Weg ragenden Ast.
    »Na ja, eines ist sicher«, meinte Mellow und blies in seine Hände. »Wenn es hier ist, wird es sich früher oder später zeigen.«
    »Nur was ist, wenn es dann schon wieder hungrig ist?«
    »Wir müssen eben vorsichtig sein. Und aufmerksam bleiben.«
    Damit fielen sie wieder in brütendes Schweigen zurück.
    Finn spähte in der folgenden halben Stunde unentwegt nachrechts und links zwischen die Äste. Und er hörte in sich hinein, ob er dieses geheimnisvolle Etwas auch zu spüren vermochte, das im Wald umging und von dem die Rudenforster

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