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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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seine Glieder zu spüren, bloßer Geist, der er nur noch war.
    Er hoffte einzig und allein, der Blick der Gestalt würde nicht auf ihn fallen.
    Jenseits allen Wissens war ihm klar, es würde entsetzlich sein, falls dies geschah.
    Doch was immer sie auch war, die Erscheinung blickte nicht in seine Richtung.
    Wind fuhr in die Falten ihres weiten grauen Gewandes; wenn es denn ein solches war: Fetzen schienen es zu sein, formlos und flatternd wie die letzten Stücke einer sturmzerzausten Fahne. Der Wind peitschte sie, und ihre Enden schlugen.
    Eine knochige Hand streckte sich vor.
    Auf ihr lag das Ding, faustgroß und schwarz, doch im Innern glühend.
    Das Glühen schwoll an.
    Finn hörte eine Stimme, die mehr ein unwirkliches Zischen und Flüstern war, denn etwas, das ein Mund aus Fleisch und Blut von sich geben konnte. Ein Gesicht mochte zwischen Tüchern und Stofffetzen verborgen liegen, und ganz gewiss Augen, die dahinter lauerten. Aber Finn sah nichts, was an ein menschliches Wesen erinnerte, und er bezweifelte, dass es ein Mensch war.
    »Saisárasar«, hörte er die Stimme rufen, obwohl es mehr ein Zischen war; nur war dieses Zischeln lauter als der Wind. »Garimun Uzunagûl.«
    Finn stockte der Atem, als die Gestalt die andere Hand ausstreckte und direkt auf ihre Gruppe zeigte, ohne sie dabei anzusehen. »Daveniáthror!«, hörte er, und es klang drohender als alles Vorherige.
    »Amuul!«, keuchte Saisárasar.
    Die Gestalt beugte sich nieder, packte den Dunkelhäutigen und schleuderte ihn von sich wie Fliegendreck. Dann richtete sie sich auf.
    Sie hob das glühende Ding mit beiden Händen hoch über den Kopf. Ein grellblauer, schmerzhafter Schein ging davon aus.
    Über das Wehen und Flattern hinweg hörte Finn sie etwas rufen, und es klang wie: »Ulúrcrum.« Das Glühen erstarb. Mit dem letzten Glimmen wurde die Gestalt zu einem grauen Schemen. Ein scharfer Windstoß schlug über ihr zusammen. Dann war sie einfach verschwunden, als habe es sie nie gegeben.
    Saisárasar erhob sich ächzend von dem morschen Baum, gegen den er geprallt war. Ohne sich umzusehen, fischte er sein Schwert aus dem Gras und humpelte zu dem Criarg, auf dem er hergeritten war.
    Raunen durchlief die Gidrogreihen wie eine Welle, als er sich in den Sattel zog. Saisárasar lenkte den Vogel von den anderen fort,hinaus auf die Wiese. Aus den zuerst tapsigen wurden immer raschere Schritte. Der Criarg breitete die Flügel aus, seine schlagenden Schwingen trieben ihn voran, bis ein letzter Sprung der kräftigen Beine den trampelnden Lauf zum Flug werden ließ.
    Die Hauergesichtigen zögerten.
    Rufe oder Befehle ertönten, worauf ihr Ring zerbrach. Sie sahen einander unschlüssig an, und die ersten griffen nach den Zügeln. Schon liefen einige, dann mit einem Mal alle zu ihren Reitvögeln. Der Davenamönch und die Vahits schienen vollkommen vergessen zu sein. Die Gidrogs schwangen sich, einander rüde zur Seite schubsend, in die Sättel. Die Vögel flohen mit ihren Herren förmlich in den nächtlichen Himmel hinauf. Noch über dem Flusslauf drehten sie einer nach dem anderen nach Osten und verschwanden, beritten oder reiterlos, hinter dem Mürmelkopf.
    Dann lag die Wiese verlassen da, einzig die Leiber der toten Gidrogs bildeten unförmige Buckel im Gras.
    Der Spuk war vorbei.
    »Was war das?«, brachte Mellow endlich hervor.
    Die Vahits sahen einander entsetzt und ratlos zugleich an und starrten dann in die Nacht hinaus, als läge in ihren Falten eine Antwort verborgen, die sie nur ahnen, aber nicht selbst zu verstehen vermochten.
    Dann hörten sie Circendil leise reden.
    »Das«, sagte er, »ist ein neues Übel. Eines, von dem ich bis eben hoffte, es bliebe uns erspart.«
    »Du weißt, wer das   – was das war   – wer das ist ?«, fragte Finn ungläubig.
    Der Davenamönch nickte schwer. »Ja. Zumindest denke ich es. Auch wenn ich dergleichen noch nie zuvor erblickte. Aber andere haben es getan, und ihre Beschreibung lässt es mich fürchten.«
    Er nahm sein Schwert und säuberte es im Gras.
    »Ihr habt gerade einen der Dunblúodur erlebt. Einen dáirbáirithir , wie die Féar sie nennen, einen der Diener Lukathers undTräger einer seiner Tränen. Erinnerst du dich, Finn, was du Herrn Ludowig gegenüber sagtest? Darüber, Saisárasars Erscheinen könne mit dem Meister der Tränen zusammenhängen? Du hattest Recht! Was bis eben Befürchtung war, ist nun Gewissheit.«
    »Was kein Grund ist, sich darüber zu freuen«, antwortete Finn mutlos.
    »Na

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