Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Appetit und packte in der Küche obendrein Brot, Käse und Feldflaschen ein für unterwegs.
Finn fragte nach der Anzahl der Heller, die er für das Bett und alles Übrige zu entrichten habe, erntete aber nur Unverständnis. Rorig polterte, Freundschaft sei ein Geschenk und nichts, das man erkaufen könne; dasselbe, meinte er, gelte für alles, was im Zuge einer Freundschaft gereicht würde. »Höre also auf mit dem Unfug! Behalte dein Geld. Oder bist du etwa nur ein Gast auf der Durchreise, Herr Finn?« Rorigs Augen funkelten, während er sich die Hände mit einem Tuch abtrocknete.
»Nun, ich …«
»Dann raus mit euch! Und wenn euch ein alter Vahit zum Abschied einen Rat geben darf: Benutzt euren Kopf gefälligst zum Denken! Wahrt Vorsicht!« Er schob die beiden kurzerhand in den Hof hinaus. Knallend schloss er die Tür und schnitt damit alle Einwände ab, die Finn noch auf den Lippen trug.
Als Finn und Mellow in den Stall hinübergingen, um das Pony vor den Wagen zu spannen, empfing sie ein ausgeruhter und freudig schnaubender Smod; Sahaso stellte seine Mistgabel beiseite und gab ihnen einen Sack Hafer für ihn mit. Mellow eroberte des Ponys Herz erneut mit einer weiteren Möhre. Finn sah, dass er sich gleich einen ganzen Strauß eingesteckt hatte, und Smods Augen verrieten, dass er das gleichfalls wusste.
Dann verabschiedeten sie sich von Dhela und ihren Söhnen und holperten aus dem gerade erst erwachenden Dorf. Ein Hund bellte irgendwo, als Finn mit der Peitsche schnalzte; jemand rief, und das Kläffen verstummte. Unmittelbar hinter dem Haus begann ein Stoppelfeld; und ein Schwarm Krähen flatterte auf, als der Wagen rasselnd an Fahrt gewann. Der Wind blies von vorn, und Smod senkte trotzig den Kopf.
Einen Steinwurf hinter der Gastwirtschaft schwenkte die Straße nach links, und sie überquerten auf einer Holzbrücke den Rudbach. Danach kletterte die Straße in mehreren Kehren einen ziemlich steilen Hang hinauf. Tau hing an den Gräsern und Sträuchern und in Spinnennetzen. Kleine Pfützen in den Spurrillen zeugten von einem Regenschauer, irgendwann in der Nacht. Oben auf dem Buckel erfasste sie die volle Stärke des Windes. Glücklicherweise sah es nicht nach Regen aus. Die Wolken jagten über sie hinweg nach Westen, graurote Schlieren, getrieben von einem fernen Sturm oder einem Gewitter irgendwo über den Tiefenlanden. Bald machte die Straße einen Schlenker nach Nordwesten und bog kurz darauf hinter einem Findling nach Norden ab.
Mellow war höchst einsilbig an diesem Morgen. Er hatte seinen Hut wegen des Windes tief ins Gesicht gedrückt, die Stirn darunter in grüblerische Falten gelegt und biss unentwegt in seineUnterlippe. Wenn er etwas sagte, so grummelte er unverständliche Silben vor sich hin. Eine ganze Menge schien ihm im Kopf herumzugehen, ohne dass er es zu fassen kriegte. Er wusste die kleine Gatabaid seit dreizehn Nächten hier draußen; und seinem Gesicht nach zu urteilen, malte er sich ihr Schicksal in den schwärzesten Farben aus. Ihr Verschwinden war seinem Verstand ein Rätsel. Finn kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie sehr Mellow es hasste, wenn sich seltsame Geschehnisse unmittelbar vor seinen Augen ereigneten und er keine Lösung für sie erkennen konnte. Mellow begann dann gleichsam, auf einer solchen Unbegreiflichkeit herumzukauen. Manchmal wurde er sogar unwirsch, wenn man ihn bei seinen Überlegungen störte. Daher hütete Finn sich, ihn deswegen zu bedrängen. Mellow würde irgendwann einen Schluss aus alledem ziehen und damit herausrücken, wenn es so weit war.
Die Buckelkuppe weitete sich zu einer nur schwach geneigten Lehne, auf die sich die Straße hinaufzog. Hier oben trafen sie den Bach wieder, der eine Weile neben der Straße über moosige Steine und angeschwemmtes Unterholz sprang. Der Rudenforst begann kaum eine Meile weiter voraus; ein dunkler Saum zunächst aus ineinander verfilzten Bäumen. Als sie auf ihn zuhielten, schien er die Straße zu schlucken wie ein schlafender Bär, in dessen offenen Rachen eine nichts ahnende Schlange kriecht. Der Wald schob sich so plötzlich über sie wie ein klammes Tuch und verbarg mit seinen dichten Ästen den heller werdenden Himmel über ihren Köpfen. Finn und Mellow schnürten ihre Mäntel enger. Es wurde empfindlich kühl. Immerhin hielt das Dickicht den Wind ab.
Unter den Bäumen roch es nach Laub und Pilzen, nach nasser Erde und frischgeschlagenem Holz. Zunächst umfing sie eine dumpfe Dunkelheit, in der sie kaum etwas
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