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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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kein Adler, oder ich habe nie einen gesehen!«
    Mellow ließ sich Finns Erlebnis in der Heide noch einmal genau beschreiben. Schließlich nickte er. »Seltsame Dinge gehen vor sich, so viel ist sicher. Dazu passt, was mir Ianam noch erzählte. Wenn Klauen und Grunzen schon merkwürdig sind, so lässt uns das immerhin noch an irgendwelche Tiere denken. Mächtige Vögel meinetwegen, ja. Aber das erklärt Ianams dritte Beobachtung nicht.« Mellow hielt einen Augenblick inne und ließ den Blick über die Zuhörer gleiten, die ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten. »Ianam behauptet, er habe Lichter gesehen. Natürlich hat ihm niemand geglaubt. Ich selbst vermutete, er könnte die Lichter der Suchenden gesehen haben, fern zwischen den Bäumen, zu weit entfernt, um nach ihnen zu rufen.   – Aber das war es nicht. Ianam sagte, sie seien unmittelbar am Stamm seiner Eiche gewesen. Und hätten grässliche Fratzen beleuchtet. Keiner der Suchenden war bis dorthin gekommen.«
    Finn zählte an die Fingern auf: »Borstlergegrunze. Vogelklauen. Wenigstens ein gewaltiger Vogel am Himmel. Lichter im Wald. Fratzen. Gerissene Schafe. Und Augen, die beobachten. Wenn ihr mich fragt: Nichts davon ergibt für mich einen Sinn.«
    »Und doch hat es einen«, erwiderte Mellow düster. »Und ich frage mich, ob er nicht nur für Schafe tödlich ist.«
    Eine kleine Weile dachte er schweigend nach. Dann wollte er wissen, weshalb Furgo die Landhüter nicht sofort verständigt hatte.
    »Der Brief ist immerhin schon zwölf Tage alt«, stellte der Hüter fest. »Halt, warte, zwölf Tage   – deine Verspätung, nicht wahr?«
    Finn nickte und berichtete, wie es dazu gekommen war. Weshalb er eben diesen Brief erst heute Mittag im Landhüterhaus mit der Bitte um Hilfe vorgelegt hatte. Und er machte deutlich, wie Bholobhorgs Antwort darauf gelautet hatte.
    »Bhobho ist ein tumber Narr!«, schimpfte Mellow. »Du hattest völlig Recht zu fragen: Was tut er, wenn’s brennt? Jetzt kennst du die Antwort: Er wird seinen Kuchen darin backen!«
    »Zweifellos. Nur warum wusste er nichts von den Kindern und deinem Ritt hierher?«
    »Bhobho ist vor allem eins   – neu im Obergau. Der Tag, an dem mich Herr Gesslo nach Rudenforst schickte, war Bhobhos erster Tag. Er kam an, als ich gerade aufbrach. Ich weiß nicht, was unser Vogt ihm erzählt hat und was nicht. Vielleicht hat er es nicht für nötig befunden, und Bhobho war wirklich unwissend. Oder nur unaufmerksam.« Er sah Finn fest an. »Verlass dich drauf, ich werde ihn fragen!«
    Dann zwang er sich zur Ruhe und sagte: »Finn, jetzt bin ich doppelt froh, dass ich dich vorhin gesehen und überredet habe zu bleiben. All dies hätten wir nicht oder zumindest nicht heute voneinander erfahren.   – Seht, das Feuer wird schwächer. Vater, gib uns allen noch ein letztes Bier, falls das Fass noch feucht ist. Morgen früh heißt es, zeitig aus den Federn heraus. Sei Gatabaid nun noch am Leben oder nicht   – Finn und ich werden gemeinsam zu Herrn Banavred fahren! Und wir werden herausfinden, was hierzulande vor sich geht. Das verspreche ich. Und darauf wollen wir trinken!«
    Sie hoben feierlich die Krüge und wünschten sich reihum eine gute Nacht.
    Draußen, über den Dächern von Rudenforst, verging Narandile, der Abendstern; ein Licht, das allmählich verblasste. Drinnen brannte das Feuer herunter. Ihr Wunsch wurde ihnen gewährt. Eine friedvolle Nacht senkte sich herab   – es war die letzte für eine ungewisse Zeit.

5 . KAPITEL
    Beim Alten Turm
    Ü BER N ACHT WAR ES bedeutend kühler geworden. Ein kräftiger Ostwind wehte um die Häuser. Er fing sich in den Schlehenhecken und rüttelte an den Fensterläden. Als die Vahits sie schlaftrunken aufstießen, erblickten sie eine rosafarbene Morgenröte über den Dächern, die den ganzen östlichen Himmel überzog. Schon bald wandelte sich das Rosa zu einem kräftigen Rot, als sähen sie hinauf in ein unwirkliches Meer aus Blut, in dem besprenkelte Wolkenfetzen schwammen   – wie Gänsedaunen, die jemand in einen Anrührbottich mit roter Tinte geworfen hatte.
    Mit dem ersten Hahnenschrei, noch bevor sich die Sonnenscheibe über die Kante des Sturzes schob, standen die beiden jungen Vahits auf und stolperten in die Schankstube hinunter. Hier erwartete sie ein herzhaftes Frühstück im Kreis der Familie Rohrsang, mit warmem Brot und frischer Butter, Äpfeln, Pfannkuchen und Sahne. Dazu stellte Dhela ihnen heißen Tee auf den Tisch, wünschte ihnen guten

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