Der Verhandlungs-Profi
Sie die Antwort bereits wissen, wo Sie aber vermuten, dass Ihrem Verhandlungspartner nicht bewusst ist, dass Sie das wissen. Natürlich muss diese Frage einen Themenpunkt beinhalten, bei dem der andere durchaus einen Vorteil für sich sehen würde, wenn er Sie belügt. Sie könnten zum Beispiel sagen:
Ich habe gehört, dass Sie bei der letzten Ausschreibung der billigste von allen Anbietern waren und das Projekt nur deshalb bekommen haben?
Sie haben eine Lüge entdeckt, was nun?
Nicht nur, dass es schwierig ist, eine Lüge zu entdecken, mindestens genauso schwierig ist es, zu entscheiden, was Sie nun mit dieser Entdeckung tun könnten. Denn zuallererst wird sich bei Ihnen wahrscheinlich eine Reihe negativer Gefühle einstellen, wie Enttäuschung, Wut, Ärger oder Frustration. Und dann stellt sich die Frage der Alternativen. Was sollen Sie nun tun? Aufstehen und weggehen? Ebenfalls belügen auf Biegen und Brechen? Oder Ihrem Verhandlungspartner mit Konsequenzen drohen? Aus dem Stegreif ist keine generell richtige Antwort möglich. Mit der Beantwortung der folgenden drei Fragen werden Sie aber in der Lage sein, eine passende Entscheidung zu treffen. Was ganz sicher der falsche Weg ist: Nachdem sich bei Ihnen die Vermutung eingestellt hat, dass Sie belogen werden, aufzuspringen und wütend zu schreien: „Lügner!“
Ist es wirklich eine Lüge?
Sicher, Täuschungen oder kleine Unwahrheiten sind nicht in Ordnung. Doch vielleicht handelt es sich nur um eine „kleine Unehrlichkeit“, über die Sie zugunsten eines positiven Verhandlungsergebnisses hinwegsehen könnten. Gehen Sie davon aus, dass nicht jeder dieselben Standards hat wie Sie selbst, abhängig von der Person, dem Umfeld, in dem die Person sich bewegt, oder auch anderen Kulturen. So durfte ich während eines Bauprojekts selbst die leidvolle Erfahrung machen, dass Zusagen von Handwerkern nicht den Zusagen entsprechen, die ich meinen Klienten mache. Die Zusage eines Handwerkers, dass er am Donnerstag in einer Woche kommen wird, um eine Reparatur zu machen, bedeutet laut meiner Erfahrung nicht viel mehr als: „Ich schaue mal, ob es sich ausgeht, und dann komme ich eventuell vorbei.“ Und genauso meint er das auch. Es liegt keine böse Absicht dahinter, sondern ganz einfach ein anderer Standard.
Fortsetzung oder Abbruch der Verhandlung?
Vorausgesetzt, Sie haben einen funktionierenden Plan B, können Sie dann theoretisch jederzeit jede Verhandlung abbrechen und zum Plan B übergehen? Wären Sie bereit dazu? Wiegt die Lüge schwer genug, um diesen Plan B zu ergreifen?
Wie kann ich zu erkennen geben, dass ich weiß, ich werde belogen?
Die direkte Konfrontation ist oft der schlechtere Weg. Denn wenn Sie den anderen öffentlich der Lüge bezichtigen, können Sie nicht viel mehr als Abwehrmechanismen erwarten. Anstelle dessen könnten Sie eine leichte Warnung aussprechen.
Angenommen, ein Lieferant belügt Sie über seinen Einkaufspreis von Rohstoffen. Der Weg der direkten Konfrontation würde etwa so ausfallen:
Sie haben gesagt, dass Sie pro Kilo Rohstoff 2 Euro 50 bezahlen. Da ich Ihren Lieferanten kenne und auch andere Lieferanten dieses Rohstoffs, weiß ich, dass der aktuelle Preis momentan bei 2,20 liegt. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder, es handelt sich um ein Missverständnis und ich weiß etwas nicht, was Sie wissen, oder Sie haben uns falsche Informationen weitergegeben. Sollte Punkt zwei der Fall sein, muss ich Ihnen sagen, dass ich sehr enttäuscht über Ihr Verhalten bin und nun von Ihnen wissen möchte, wie wir trotzdem in gutem Vertrauen weiterverhandeln können.
Die Warnung könnte so aussehen:
Sie haben gesagt, dass Sie das Kilo um 2,50 Euro einkaufen. Vielleicht möchten Sie diese Zahl noch einmal verifizieren, denn soweit ich gehört habe, liegt der aktuelle Preis etwas niedriger. Wie auch immer, wir sollten schauen, dass wir richtige Daten verwenden, und ich schlage daher vor, dass wir beide unsere Informationen noch kurz prüfen, bevor wir weiterverhandeln.
Beide Möglichkeiten geben Ihrem Verhandlungspartner klar zu verstehen, dass Sie wissen, er sagt die Unwahrheit. Die Variante zwei lässt ihn allerdings das Gesicht wahren und öffnet eine Hintertür. Die Entscheidung, welchen Weg Sie gehen möchten, liegt bei Ihnen.
TIPP
Weichen Sie auf eine andere Wahrheit aus!
Falls Sie selbst in die Verlegenheit kommen, dass eine Lüge für Sie vorteilhafter wäre als die Wahrheit zu erzählen, wenn Sie also lügen müssten, erzählen
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