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Der Verlobte

Der Verlobte

Titel: Der Verlobte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Sylvester
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und beugte sich zu ihr hinüber. »Was meint sie damit?«
    Doch bevor Lilly etwas erwidern konnte, betrat ein junger Mann in Motorradkluft den Raum, klopfte auf den Tisch und rief: »Hey Leute!«
    Alle sahen ihn erwartungsvoll an, während er zur Großmutter schlenderte und sie küsste. »Du siehst echt klasse aus, Oma!«
    »Na, schau mal einer an! Unser kleiner Lieblingsrüpel Bert hat den Weg doch noch gefunden!«, feixte Paul.
    »Setz dich!«, fauchte der Großvater über die Tafel.
    Bert nahm direkt neben der Großmutter Platz, legte seinen Helm auf den freien Stuhl neben sich und lehnte sich gemütlich zurück. »Ihr könnt ruhig weitermachen«, sagte er grinsend.
    Lilly kicherte.
    Mit einer Handbewegung wies die Großmutter das Personal an zu servieren und fragte Bert mit eisiger Miene: »Wo hast du deine Mutter gelassen?«
    »Sie hat wahrscheinlich eine falsche Pille eingeworfen«, sagte Bert grinsend. »Kommt erst morgen.«
    »So, so!« Paul klang spöttisch. »Und wo hast du deinen Vater gelassen?« Er beugte sich zu Tillmann hinüber. »Sie müssen nämlich wissen, dass dieser arme kleine Flegel nur das hilflose Produkt seiner furchtbaren Kindheit ist.« Paul grinste süffisant. »Vor zehn Jahren hat sein Vater sich aus dem Staub gemacht, und Mami ist seither ach so depressiv …«
    »Paul!«, herrschte die Großmutter ihn an. »Mein Sohn Ludger ist vor zehn Jahren entführt worden«, wandte sie sich erklärend an Tillmann. »Seitdem haben wir kein Lebenszeichen mehr von ihm erhalten.«
    Bevor Tillmann eine angemessene Replik gelingen konnte – was empfahl der Knigge an Vokabular bei anhaltender Entführungssituation? –, verfinsterte sich Berts Miene. »Weil ihr zu geizig wart, das Lösegeld für ihn zu bezahlen!« Bert warf seinem Großvater am anderen Ende der Tafel einen grimmigen Blick zu. »Aber Papa war ja nur der lästige Stiefsohn! Und Mama ist euch doch sowieso scheißegal. Ist ja nur die arme Irre!«
    Tillmann lauschte aufmerksam.
    »Tatsächlich ist seine Mutter, unsere liebe Clara, über diesen schmerzlichen Verlust depressiv geworden«, erklärte die Großmutter mit bekümmerter Miene.
    »Der liebe Ludger hätte sicher sehr viel mehr Spaß daran gehabt, sich mit den drei Millionen im Handgepäck abzusetzen.« Paul grinste. »Aber er hat ’ s ja offensichtlich auch so geschafft.«
    Tillmann sah verstohlen zu Lilly, doch die war in ein Gespräch mit ihrer Mutter vertieft. Sie schien sich überhaupt nicht für die dramatischen Familienangelegenheiten zu interessieren. Warum hatte sie ihn darauf denn nicht vorbereitet? Sie hätte diesen Jahrestag doch zumindest erwähnen müssen! Tillmann beschlich ein ungutes Gefühl. Und er ertappte sich bereits jetzt bei dem Wunsch, dieses Wochenende endlich hinter sich zu haben.
    »Was meinst du, Bert? Hält sich das Wetter übers Wochenende?«, fragte die Großmutter unvermittelt.
    Bert kaute gierig. »Nee, glaub ich nicht«, antwortete er schmatzend. »Da braut sich was zusammen …« Mit unglaublichem Appetit schaufelte Bert die Speisen in sich hinein und holte schnell die beiden verpassten Gänge auf.
    Die Gesellschaft war gerade beim Dessert angelangt, als ein tiefer Donner über dem Anwesen grollte. Kurz darauf war lautes Prasseln zu vernehmen.
    »Es regnet, es regnet, die Erde wird nass«, sang Lillys Mutter Louise.
    Lilly kicherte.
    Tillmann sah sie verwundert von der Seite an. Hatte sie einen über den Durst getrunken?
    Paul stieß ihn leicht in die Rippen. »Was haben Sie denn mit unseren zwei Lesben gemacht?« Er deutete mit einer Kopfbewegung hinüber zu Tante Lilo und ihrer Freundin Elisabeth. »Die hätten ja am liebsten Sie als Dessert!«
    Tillmann grinste um Worte verlegen vor sich hin und Paul lästerte munter weiter. »Können Sie sich vorstellen, dass Veronika kaum älter ist als Lilly? So alt wie sie aussieht, wird diese miesepetrige Jungfer gar nicht mehr werden.« Er schob seinen Teller beiseite. »Na ja, wenn Papa Leopold auch so lange an Mama herumdoktert, bis sie dabei draufgeht. Aber besser ein schlechter Arzt in der Familie als gar keiner.«
    In diesem Moment donnerte es erneut. Blitze zuckten hinter den großen Fenstern. Veronika schreckte zusammen und Onkel Leopold tätschelte ihr beruhigend die Hand.
    »So, ich denke, wir werden den Kaffee nebenan zu uns nehmen.« Die Großmutter erhob sich und sogleich sprangen alle Männer von ihren Stühlen auf. Nur Bert blieb sitzen und gähnte herzhaft.
    »Kommen, Sie mein lieber

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