Der verlorne Sohn
erröthend:
»Muß ich Dir das mittheilen?«
»Nun, ich will nicht gewaltsam in Dich dringen. Ich gestehe Dir, daß mich eine plötzliche Angst um Dich überkommen war. Ich hatte Dich noch niemals so gesehen.«
»Es ist überwunden.«
»Aber hoffnungslos vorüber?«
»Weißt Du, Gott ist die Liebe. Wenn er eine solche Welt von Liebe in ein Menschenherz legt, so kann er nicht wollen, daß dieses Herz daran zu Grunde geht.«
»So hast Du also noch Hoffnung?«
»Ich wage es, sie noch zu hegen.«
»Aber vorhin hegtest Du sie nicht. Erst als Vater von den drei Passagieren sprach, wurde eine andere Stimmung Herr über Dich. Errathe ich recht?«
»Vielleicht. Doch lassen wir das jetzt! Es wird und mag so kommen, wie Gott es will.«
Sie drückte einen Kuß auf seine Stirn und sagte andächtig:
»Er wird es zum Besten lenken. Amen!« –
Nicht nur der Lieutenant von Randau und die erwähnten drei Passagiere befanden sich am heutigen Tage in dieser Gegend, sondern zwei Andere wurden auch ganz unerwartet nach dem kleinen Städtchen geführt.
Nämlich Doctor Zander hatte sich bald in der Residenz bekannt und gesucht gemacht. Einige glückliche Kuren und sein Umgang mit dem Fürsten von Befour und dessen Freunden waren ihm außerordentlich förderlich gewesen. Er besaß eine schöne Wohnung und trug sich sogar mit dem Gedanken, sich eine Equipage anzuschaffen.
Heute war er ungewöhnlich früh ausgegangen, und da es zufälliger Weise keinen schweren Fall zu behandeln gab, so war er mit seiner Runde viel eher als gewöhnlich zu Ende, und er schlenderte gemächlich über die Anlagen dahin, welche den Bahnhof von der Stadt trennten. Da sah er eine Person daherkommen, bei deren Anblick sein bisher nachdenklich nach innen gerichteter Blick schnell äußeres Leben bekam – Magda Weber war es.
Sie hatte eine Reisetasche in der Hand und grüßte erröthend, als sie ihn erblickte. Er trat auf sie zu, reichte ihr die Hand und fragte:»Sieht das nicht gerade aus, als ob Sie verreisen wollen?«
»Ja, Herr Doctor.«
»Wohin?«
»Nach Langenstadt.«
»Ist da oben Etwas passirt? Ich hoffe, nichts Unangenehmes!«
»Nein. Ich erhielt heute eine Depesche – – –«
»Eine Depesche? Sie?« fragte er überrascht.
»Ja.«
»So ist es am Ende doch etwas Ungutes. Wer telegraphirte?«
»Der Vater. Die Worte lauten: ›Komm sofort zu Besuch, sobald Du dies empfängst.‹ Das klingt doch nicht wie ein Unglück?«
»Allerdings nicht. Uebrigens trifft es sich recht glücklich, daß auch ich verreise.«
Sie blickte ihn fragend und ungewiß an; darum fuhr er, ihr freundlich zunickend, fort:
»Und zwar auch nach Langenstadt.«
»O, wie schön!«
Aber sofort färbten sich ihre Wangen purpurn. Sie fühlte, daß sie das nicht hätte sagen sollen.
»Wirklich? Finden Sie das schön?« fragte er.
Sie erglühte noch tiefer, antwortete aber nicht. –
Er hatte nicht die geringste Absicht gehabt, zu verreisen. Der Entschluß war ihm wie eine Eingebung gekommen. Das liebliche Mädchen stand nicht nur vor ihm, sondern sie wohnte auch tief, tief in seinem Herzen.
»Hoffentlich erlauben Sie mir, Ihr Billett mit dem meinigen zu lösen, Fräulein Weber?« fragte er.
Ein leises, schüchternes Ja war die Antwort.
Dann, als es Zeit zum Einsteigen war, führte er sie in ein Coupé erster Classe. Ein Trinkgeld sagte dem Schaffner, daß er dieses Coupé möglichst mit anderen Passagieren verschonen möge; dann setzte sich der Zug in Bewegung.
Eine kurze Zeitlang saßen sie schweigend neben einander, sie mit niedergeschlagenen Wimpern und er das Auge voll und warm auf ihr schönes, rosiges Gesichtchen gerichtet. Er hätte sie gleich küssen mögen.
»Fürchten Sie sich vor mir?« fragte er endlich.
Da schlug sie die Augen auf, lächelte ihm warm entgegen und antwortete:
»Wie sollte ich! Sie haben mir ja nichts gethan.«
»Aber dennoch fliehen Sie mich?«
»Ich?«
Diese Frage klang doch ein Wenig verlegen.
»Ja, Sie! Wissen Sie vielleicht, daß ich jetzt sehr oft die Baronesse Alma von Helfenstein besuche?«
»Ja.«
»Sie hat die Güte gehabt, mich zu ihrem Hausarzt zu ernennen. Ich habe geglaubt, daß Sie sich bei ihr befinden.«
»Das ist auch der Fall.«
»Und doch sehe ich Sie nicht!«
Sie senkte erröthend das Köpfchen. Er fuhr fort:
»Muß ich da nicht denken, daß Sie mich fürchten?«
»Nein.«
»Oder gar mich hassen?«
»O Gott, was denken Sie!«
»Dann bitte, legen Sie doch einmal Ihr liebes, kleines Händchen in
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