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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kind, was muß ich sehen!«
    »Sie sehen nichts Unrechtes, Herr Petermann,« antwortete Edmund von Randau.
    Jetzt erst erkannte der Genannte, wen er vor sich hatte.
    »Sie, Herr Lieutenant?« sagte er. »Darf ich vielleicht um eine Erklärung bitten?«
    Er hatte die Stirn gerunzelt. Er konnte ja diesem vermeintlichen
tête-à-tête
nur eine ihm nicht willkommene und nicht wünschenswerthe Deutung geben. Da aber machte seine Tochter sich aus den sie umschlingenden Armen los, trat auf ihn zu, faßte seine Hände und sagte bittend: »Du darfst nicht bös sein, lieber Vater. Edmund meint es so ehrlich, wie Du nur wünschen kannst.«
    »Edmund? Ah, Ihr nennt Euch bereits beim Vornamen! Und ich habe nicht die mindeste Ahnung gehabt!«
    »Ich auch nicht. Es ist ja so plötzlich gekommen.«
    »Plötzlich? Du hast auch keine Ahnung gehabt? Desto unbegreiflicher ist es mir. Herr Lieutenant, meine Tochter ist mir so lieb und so werth, wie nur jemals eine Tochter ihrem Vater sein kann. Sie ist aber das Kind eines armen Mannes, und Sie sind der Sohn eines vornehmen, reichen Hauses. Ernsthafte Wünsche sind also wohl kaum vorauszusetzen, und zu einer vorübergehenden Unterhaltung darf ich mein – –«
    »Bitte, bitte,« fiel ihm Edmund in die Rede. »Ich will mich nicht selbst vertheidigen; aber hier steht mein Anwalt, dem Sie denselben Glauben schenken können wir mir.«
    Er griff nach der Hand seiner Mutter, welche seitwärts im Dunkel gestanden hatte, und zog sie in den Kreis des Lichtes.
    »Wer ist diese Dame?« fragte Petermann.
    »Meine Mutter, welche soeben so freundlich gewesen ist, die Hand Ihrer Tochter in die meinige zu legen.«
    »Die Frau Baronin von Randau?« fragte der Erstaunte. »Wie soll ich mir erklären – –«
    »Die Erklärung ist sehr leicht und sehr einfach, Herr Petermann,« antwortete die Freifrau. »Mein Sohn liebt Ihre Tochter, und sie erwidert seine Liebe. Ich habe keinen Grund, dem Herzenswunsche meines Kindes entgegenzutreten, und so ist ihnen meine Einwilligung geworden.«
    »Mein Gott! Höre ich recht?«
    »Es ist, wie ich sage.«
    »Der Herr Lieutenant will –«
    Er brachte das richtige Wort nicht hervor. Es war ihm unmöglich, an die Wahrheit der Thatsache zu glauben. Die Baronin ergänzte seinen angefangenen Satz: »Mein Sohn will sich erlauben, Sie um die Einwilligung zu seiner Verlobung mit Valeska zu bitten.«
    »Wie? Verlobung? Wirklich Verlobung?«
    »Ja.«
    »Sie sprechen im Ernste?«
    »Natürlich.«
    »Sie meinen eine offizielle, gesetzliche Verbindung?«
    »Gewiß!«
    Mutter und Sohn weideten sich an dem glücklichen Erstaunen des braven, so viel geprüften Mannes.
    »Aber das ist doch eine Unmöglichkeit!« rief er aus.
    »Warum?«
    »Kennen Sie meine Verhältnisse, gnädige Frau?«
    »So viel wie es nöthig ist, ja.«
    »Und Sie halten es nicht nur für möglich, sondern wünschen es sogar von ganzem Herzen, daß – – mir ist wahrhaftig, als ob ich träume!« setzte Petermann, immer noch zweifelnd, hinzu.
    »Glauben Sie immerhin an die Wirklichkeit! Sie sind ein Mann, dem meine volle Achtung gehört. Und was Ihre Tochter betrifft, so hat sie sich mein Herz im Sturm erobert. Ich überraschte diese Beiden, als sie eben den Stimmen ihrer Herzen Gehör schenkten. Valeska wollte entsagen. Sie wollte ein Opfer bringen, dessen Größe das beste Zeugniß von dem Adel ihrer Gesinnung ist. Sie hatte die muthige Selbstüberwindung, meinen Sohn an seine vermeintlichen Pflichten zu erinnern. Sie hat sich damit würdig gemacht, meine Tochter und als solche die Trägerin unseres Namens zu werden. Ich habe mich beeilt, ihr zu sagen, daß Edmund ein solches Opfer nicht annehmen wird und auch nicht anzunehmen brauche.«
    »Aber der Herr Baron! Weiß er davon?«
    »Noch nicht.«
    »Wird er dieselbe Gesinnung hegen wie Sie?«
    »Ich hoffe es.«
    »Wenn aber nicht –«
    »Dann wird es nur kurzer Zeit bedürfen, um ihn zu überzeugen, daß es seine Pflicht sei, vor allen Dingen nach dem Glück seines Sohnes zu trachten.«
    Da stellte Petermann den Leuchter auf den Tisch, streckte ihr beide Hände entgegen und sagte, die Augen voller Thränen: »Herzlichen, innigen Dank, gnädige Frau! Sie ahnen nicht, welch ein reiches, werthvolles Geschenk Sie mir geben. Ich habe während jahrelangen Unglückes mit finsteren Geistern gerungen. Es war mir fast unmöglich, den Glauben an Gott und das Vertrauen zu den Menschen festzuhalten. Es ist unterdessen lichter geworden, lichter um mich und lichter in mir.

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