Der verlorne Sohn
sein?«
»Gott bewahre, Gott bewahre! Aber, Frau, Du bist doch der reine Ziethen aus dem Busch!«
»Glücklich zu machen, soll man niemals zaudern.«
»Na, Du aber mußt es verantworten!«
»Gern, sehr gern! Also –«
»Das kommt ja gar nicht auf mich allein an! Lieber Herr Petermann, was sagen Sie dazu?«
Der Gefragte befand sich natürlich in einer außerordentlichen Verlegenheit. Das Glück seines Kindes war ihm ja theuer; auch konnte er die ihm bevorstehende Ehre, mit einem aristokratischen Hause verwandt zu sein, wohl schätzen und würdigen, aber er wollte doch nicht als Ein-oder vielmehr als Aufdringling gelten. Daher antwortete er: »Herr Baron, wenigstens ich darf mich nicht überraschen lassen. Ich gebe Ihnen die Vollmacht, auch für mich zu handeln. Was Sie thun, soll mir recht sein.«
»Aber Sie werden mich nicht nachträglich auszanken?«
»Nein. Sie können versichert sein, daß Ihre Entscheidung meine vollste Zustimmung finden wird.«
»Nun denn in Gottes Namen: Hast Du diese Dame denn wirklich so sehr lieb, Edmund?«
»Unendlich, lieber Vater!«
»Und Ihnen, mein Kind, ist mein Sohn ebenso theuer?«
»Ja,« flüsterte Valeska, welche sich kaum getraute, an das ihr bevorstehende Glück zu glauben.
»Soll soll es denn in Gottes Namen gewagt sein. Nehmt meine Einwilligung und meinen Segen, Kinder. Was die Mutter gut geheißen hat, darf der Vater doch nicht tadeln, oder gar rückgängig machen. Möge also die jetzige Stunde uns Allen zum Heil und Segen gereichen!«
Da wurde er von sechs Armen umschlungen, so daß er sich fast nicht zu rühren vermochte. Dann sank Valeska unter Thränen an die Brust der Freifrau.
»So mußte es kommen, meine Tochter,« sagte diese. »Gott der Herr walte über Ihnen und über uns Allen!«
Einer aber konnte nicht sprechen: Petermann. Seine Lippen zuckten unter der tiefen Bewegung seines Herzens. Er streckte dem Freiherrn die Hand entgegen und lehnte sich dabei gegen die Wand, als ob ihm die Kraft, sich auf den Füßen zu erhalten, verlorengehe. Herr von Randau legte theilnehmend den Arm um ihn und sagte:»Fassen Sie sich, lieber Freund. Ich verstehe und würdige Ihre Gefühle. Das Leben ist Ihnen viel, sehr viel schuldig geblieben; es will Ihnen jetzt diese Schuld abtragen. Die Vorsehung kann zuweilen zögern, sie mag zuweilen hart erscheinen, aber sie ist doch stets gerecht.«
Nach einiger Zeit wurden die Anwesenden in den Salon gerufen. Dort fanden sie den Fürsten von Befour und den Rechtsanwalt, mit welchem der Anstaltsdirector von Scharfenberg heute so lange Berathung gepflogen hatte.
Dieser Letztere war nicht zugegen; in den Zügen der beiden anderen Genannten sprach sich ein feierlicher, milder Ernst aus. Der Fürst begrüßte die Familie Randau und sagte: »Ich bin ebenso wie Sie zur Beisetzungsfeier der beiden verstorbenen Herren von Scharfenberg geladen. Es war mir dies überraschend, da ich in keiner näheren Beziehung zu der Familie dieses Namens stehe. Jetzt nun weiß ich, daß ich anwesend sein sollte, um Zeugenschaft zu leisten. Ich thue das mit einer Befriedigung, welche ich mit Worten nicht zu beschreiben vermag. Es steht Ihnen Allen eine sehr große, eine außerordentliche Ueberraschung bevor. Man ist bereits in der Capelle des Schlosses versammelt. Bitte, folgen Sie mir!«
Bei dem Worte Ueberraschung hatte sein Auge mit freundlichem Lächeln auf Petermann und dessen Tochter geruht. Jetzt schritt er voran und die Anderen folgten.
Die Schloßcapelle war mit schwarzem Trauerstoff behangen. Zu Seiten des Altares neigten Palmen ihre Wipfel. Vor demselben, auf hohem Katafalk, standen zwei offene Särge, in welchen die einbalsamirten Körper von Scharfenberg Vater und Sohn lagen.
Der Schein vieler Wachskerzen beleuchtete die aschfarbenen Gesichter der Leichen, zu deren Häuptern der Anstaltsdirector in schwarzem Anzuge stand.
Hinter dem Altar waren die Mitglieder des Kirchenchores von Langenstadt placirt, und an der kleinen Orgel saß der Ortskantor. Er griff, als er die Kommenden eintreten sah, in die Claviatur.
Leise, getragene Accorde schwebten durch den kleinen Raum, dann, als das Vorspiel beendet war, begann der Kirchenchor das Sterbelied:
»Meine Lebenszeit verstreicht,
Stündlich eil’ ich zu dem Grabe,
Und was ist’s, daß ich vielleicht
Noch allhier zu leben habe?
Denk, o Mensch, an Deinen Tod;
Säume nicht, denn Eins ist Noth!«
Jetzt trat der mit anwesende Pfarrer an den Altar und verkündigte in kurzen Worten
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