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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich werde ein einfacher Landwirth sein. Die Eltern haben es gewünscht. Auch habe ich mit den Eltern von Dir gesprochen.«
    »Von Deiner Liebe zu mir?«
    »So wie Du meinst, noch nicht. Kanntest Du den Herrn, der heute mit Euch bis Randau gefahren ist?«
    »Nein, aber ich dachte, daß er Dir sehr ähnlich sehe.«
    »Es war mein Vater. Er sprach von Dir. Du hattest ihn bezaubert, er schwärmte von Dir und sagte wörtlich, daß er einer solchen Schloßherrin es verzeihen könne, daß vor dem Namen ihres Vaters kein ›Von‹ gestanden habe.«
    »Das sagte er?«
    »Ja. Glaube es mir.«
    »Aber von dem Anderen, von unseren Schicksalen weiß er nichts?«
    »Ich habe den Eltern gestanden, daß ich ein Mädchen liebe, welches unverschuldet das tiefste Elend leiden mußte.«
    »Du hast von Rollenburg gesprochen?«
    »Ja.«
    »O, mein Heiland! Was sagten Deine Eltern?«
    »Ich betheuerte, daß ich für’s Leben ledig bleiben werde. Da meinte der Vater, das werde sich ganz anders gestalten, ich dürfe nur eine Dame sehen wie die, mit der er heute im Coupee gesprochen habe. Das warst Du.«
    »Dennoch muß es so sein, wie ich gesagt habe.«
    »Das ist Dein fester Wille?«
    »Ja, Edmund. Das bin ich Deinem Glücke und das bin ich Deinen Eltern schuldig. Schau, laß mich aufrichtig sein! Ich fühle, daß ich zu Grunde gehen werde, denn ich kann ohne Dich nicht sein und leben. Aber es giebt Gesetze, gegen welche man nicht ungestraft sündigen darf, obgleich sie in keinem Gesetzbuche stehen. Du wirst ein Weib finden, welches Du achten, wenn auch nicht so heiß wie mich lieben kannst. Deine Eltern werden sich dessen freuen, und ihr Segen wird mir folgen, wenn ich an meiner Liebe sterbe.«
    »Du hast ihn schon, diesen Segen!«
    Die beiden fuhren erschrocken zusammen. Eine sanfte Frauenstimme hatte diese Worte gesprochen. Als sie sich umwandten, sahen sie die Freifrau von Randau im vorderen Zimmer stehen.
    »Zürnt mir nicht,« sagte sie. »Ich suchte Dich in Deinem Zimmer, ohne grad wie Du, zu ahnen, daß dieses liebe, brave Kind hier wohnt. Ihr hörtet mich nicht eintreten, da Ihr zu laut spracht, und so habe ich denn Alles vernommen. Ihr müßt es mir verzeihen.«
    Sie trat näher heran und übersah mit einem einzigen Blicke die ganze Situation. Mit dem Blicke auf die Toilettesachen sagte sie: »Sehr also hat er Sie überrascht? Doch erröthen Sie nicht. Sein Herz ist rein, und er liebt Sie wahr und treu. Nicht wahr, Sie sind die Dame, mit welcher heute mein Mann gesprochen hat?«
    »Ja.«
    »Sie sind aber auch Diejenige, welche mein Sohn in jenem Hause fand?«
    »O Gott, gnädige Frau, ja.«
    »Ich will Ihnen nicht wehe thun; ich will nur klar sehen. Ich habe Ihre Worte gehört und kenne Sie. Frauen verstehen einander ja so leicht. Kommen Sie, mein Kind, legen Sie Ihr Köpfchen an mein Herz. Sie scheinen keine Mutter zu haben; ich will von jetzt an die Ihrige sein. In meinem Herzen wohnen Sie bereits; Sie werden mir auch in meinem Hause willkommen sein. Ich will es für Sie festlich schmücken, so wie Sie es verdienen.«
    »Mutter!« jubelte der Lieutenant.
    »Ja, mein Sohn, das ist das rechte Wort. Ich bin Eure Mutter. Ich will über Euch wachen, bis Gott mich zu sich ruft. Und dann, wenn ich geschieden bin, wird mein Segen bei Euch bleiben, und der Blick meines unsterblichen Geistes wird auf Euch ruhen wie ein Gebet am Hochaltar, dem Gott nicht die Erhörung versagt. Geben Sie ihm Ihre Hand, meine Tochter. Sie dürfen ihm gehören, denn Sie haben sich seinen Besitz verdient, indem Sie demselben entsagen wollten.«
    Es wurde still im Raume; auch dunkel war es geworden, denn der Abend war eingebrochen. Man hörte nur das Schluchzen dreier Menschen, deren Herzen sich hier in wahrhaft reiner, heiliger Liebe vereinigt hatten.
    Da öffnete sich die vordere Thür. Lichtschein drang heraus in das Cabinet, und eine Stimme fragte:
    »Valeska, bist Du da?«
    Es war Petermann. Sie erkannte ihn sogleich an der Stimme.
    »Ja, lieber Vater,« antwortete sie.
    Dabei wollte sie sich der Umarmung des Lieutenants entwinden; dieser aber hielt sie fest und flüsterte ihr zu: »Bleibe, Geliebte! Er soll erfahren, was geschehen ist.«
    Petermann trat, mit dem Lichte in der Hand, näher. Er fragte:
    »Du wolltest Toilette machen. Bist Du fertig? Ah, Du hast ja noch gar kein Licht!«
    Er leuchtete in das Cabinet und erblickte seine Tochter in den Armen des Geliebten.
    »Was ist das?« fragte er, mehr erschrocken als erstaunt. »Du bist nicht allein?

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