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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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glauben. Da mir also nur daran liegt, den Hauptmann kennen zu lernen, so liegt mir nichts am Ergreifen seiner Leute. Ich gestehe Ihnen, daß ich die Ansicht habe, meine Intentionen besser zu befördern, wenn ich mich seinen Leuten gegenüber nicht als Feind bethätige. Ob ich also Einen von ihnen heut’ gefangen nehmen werde, das kommt auf das Verhalten dieser Männer selbst an. Wie hat der Hauptmann erfahren, daß die Baronesse eine solche Summe Geldes daliegen hat?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Er muß ein Mann sein, der entweder zur
Haute-volée
oder zur
Haute-finance
gehört?«
    »Möglich.«
    »Wer wird das gestohlene Geld erhalten?«
    »Ausnahmsweise wir, nicht er.«
    »So scheint eine persönliche Rache zu Grunde zu liegen.«
    »Ich habe darüber kein Urtheil.«
    »Aber Sie werden mir Stoff für mein Urtheil geben, wenn Sie mir sagen wollen, welche Instruction Sie für die Person der Baronesse haben.«
    »Sie soll sterben.«
    »Alle Teufel! Was für eines Todes?«
    »Das ist in unser Belieben gestellt. Es wurde uns befohlen, dafür zu sorgen, daß sie morgen früh eine Leiche sei. Vorher aber soll sie ein Jeder von uns als sein persönliches Eigenthum betrachten.«
    »Das ist höllisch, das ist geradezu teuflisch! Und was für Befehle haben Sie in Beziehung der Dienerschaft?«
    »Keine. Die Zofe sollen wir leben lassen, doch soll auch sie uns gehören dürfen.«
    »Haben Sie bei anderen, ähnlichen Gelegenheiten auch bereits solche Concessionen erhalten?«
    »Nein.«
    »Nun, so ist es klar, daß persönliche Gründe vorliegen. Man wird den ›Hauptmann‹ also unter den Feinden der Baronesse zu suchen haben. Warum soll die Zofe nicht sterben?«
    »Weil sie als Zeugin dienen soll.«
    »In welcher Weise?«
    »Sie soll Einen von uns sehen und also im Stande sein, seine Person recognosciren zu können.«
    »Eine Art umgekehrtes Alibi?« wiederholte der Fürst nachdenklich. »Ein Alibi ist der Beweis, daß eine Person nicht am Thatorte gewesen sein kann. Ein umgekehrtes Alibi also würde in dem Nachweise bestehen, daß eine Person dagewesen ist, natürlich eine andere, als der Angeklagte. Hm! Das sind Verwicklungen. Handelt es sich um diejenige Person, von welcher erst heut’ bestimmt wurde, daß sie mit arbeiten solle?«
    »Ja.«
    »Wer ist sie?«
    »Das darf ich nicht sagen.«
    »Und die Zofe soll diese Person sehen, um nachweisen zu können, daß sie dabei gewesen ist? Interessant! Ein schwieriges Räthsel; aber ich bin auf Lösung von Räthseln passionirt. Wo werden Sie sich versammeln?«
    »Unter den Bäumen unweit der Frohnveste.«
    »Ah! Soll diese Person, von welcher wir sprachen, dort etwa erst zu Ihnen stoßen?«
    »Ich bin nicht im Stande, Auskunft zu ertheilen.«
    »Wann werden Sie beginnen?«
    »Zwischen Zwölf und Eins treten wir an. Beginnen werden wir natürlich erst dann, wenn sämmtliche Lichter erloschen sind.«
    »Es ist jetzt halb zwölf. Sie werden Ihrer heutigen Beute verlustig werden. Kommen Sie morgen Vormittag nach meiner Wohnung in der Palaststraße, natürlich aber verkleidet! Man wird Ihnen eine Gratification auszahlen. Haben Sie noch irgend etwas zu berichten, zu sagen oder zu fragen!«
    »Nein.«
    »Und über die Person des ›Hauptmannes‹ wollen oder können Sie mir wirklich keine Auskunft erteilen?«
    »Ich könnte nicht, selbst wenn ich wollte.«
    »Auch keine Andeutung?«
    »Nein.«
    »Was hat er für eine Gestalt, für eine Figur!«
    »Verschieden! Bald klein, bald groß, bald dick, bald dünn.«
    »Augen?«
    »Ebenso verschieden. Bald hell und bald dunkel.«
    »Hm. Haben Sie diesen Unterschied genau beobachtet?«
    »Ja. Ich komme als einer der Bevorzugten oft in seine unmittelbare Nähe.«
    »Was für ein Gesicht?«
    »Stets verhüllt.«
    »Sie können also nicht bemerken, ob er bebartet oder bartlos ist?«
    »Nein.«
    »Die Stimme?«
    »Die Stimmen von tausend Maskirten werden sich ähnlich sein.«
    »Ah, auf diese Weise erfahre ich, daß Ihre Zusammenkünfte maskirt stattfinden. Mir scheint, daß Sie nicht nur einen Hauptmann haben.«
    »Ganz sicher nur Einen!«
    »So läßt er sich wenigstens zuweilen durch ein Mitglied vertreten, wie die verschiedenen Augenfärbungen beweisen.«
    »Das ist möglich.«
    »Wie oft haben Sie Zusammenkünfte?«
    »Je nach Bedarf.«
    »Nur des Abends?«
    »Ja.«
    »Auf welche Weise erfahren Sie den Tag und die Stunde?«
    »Auf einer jeden wird die nächste bestimmt.«
    »Und wo finden diese Versammlungen statt?«
    »Das zu sagen, ist mir

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