Der verlorne Sohn
haben kann. Ich komme, Ihnen meinen Schutz anzubieten.«
»Ihren Schutz?« fragte sie erstaunt.
»Ja, Baronesse, meinen Schutz. Ich hoffe, er wird ausreichen.«
»Durchlaucht, ich begreife nicht. Ich kenne keine Gefahr, in welcher ich mich befinden könnte.«
»Ich weiß, daß Sie keine Ahnung haben, ich aber habe das Glück gehabt, diese Gefahr bereits in ihrem Entstehen zu erkennen und dann zu verfolgen.«
»Dann bitte, sprechen Sie.«
»Man hat Nachschlüssel zu allen Schlössern Ihrer Wohnung angefertigt, um –«
»Nachschlüssel?« unterbrach sie ihn. »Gott, will man einbrechen? Will man mich bestehlen?«
»Ja. Man hat in Erfahrung gebracht, daß Sie gegenwärtig eine bedeutende Summe Geldes bei sich liegen haben.«
»Das ist wahr. Aber wie hat man dies erfahren können?«
»Ich weiß es nicht, doch ist sicher, daß der ›Hauptmann‹ seine Spione in allen Kreisen der Gesellschaft hat.«
War sie bereits vorhin auf das Tiefste erschrocken, so fühlte sie jetzt eine ganz entsetzliche Angst.
»Der Hauptmann,« hauchte sie mit fast ersterbender Stimme.
»Ja. Seine Leute stehen bereits unten vor dem Hause. Sie warten nur, bis Sie Ihr Licht verlöscht haben, um dann ihre Arbeit zu beginnen.«
»Einbrechen! Einbrechen! Vielleicht gar noch mehr, noch mehr.«
»Allerdings, Baronesse. Sie sollen ermordet werden.«
»Ermordet? Gott, mein Gott!«
Es wurde ihr schwarz vor den Augen, und vor ihren Ohren summte es. Sie begann zu wanken. Er trat rasch hinzu und nahm sie in seine Arme. Einige Augenblicke lang lag ihr Kopf mit all’ der Herrlichkeit der goldenen Haareswogen an seiner Schulter; einige Augenblicke lang fühlte er ihren Busen an seinem Herzen, dann aber übermannte er die auf ihn einstürmenden Gefühle und ließ sie in die Kissen des nahen Sophas gleiten.
Sie war nicht ohnmächtig, es war nur eine vorübergehende Schwäche, in Folge des Schreckes über das plötzliche, räthselhafte Erscheinen dieses Mannes und über seine Unglücksbotschaft.
»Ich danke,« hauchte sie. »Ist es wahr, was Sie mir mittheilen?«
»Ja,« antwortete er, auf einem Stuhle Platz nehmend. »Aber ich bitte Sie, nichts zu besorgen. Zunächst sind Sie jetzt noch vollständig sicher. So lange diese Flammen noch brennen, wird keiner der Räuber es wagen, das Haus zu betreten.«
Das wirkte augenblicklich. Sie bat:
»Bitte, geben Sie mir dort von dem Wasser.«
Er goß aus einer Karaffe Wasser in ein Glas, zog aus seiner Tasche eine kleine Phiole, ließ einen kleinen Tropfen hineinfallen und reichte ihr das Glas. Ein wunderbar feiner und ebenso wunderbar lieblicher Duft durchzog das Gemach. Sie nahm einen Schluck und fühlte sich augenblicklich gestärkt und erquickt.
»Was ist das für ein Odeur?« fragte sie.
»Der Orientale nennt ihn Nefs et tschisek, das heißt auf deutsch Blumenseele.«
»Er ist herrlich. Ich danke Ihnen! Aber ich habe nicht an die Seele der Blume, sondern an meine eigene zu denken! Sie wissen wirklich genau, daß man mich überfallen will?«
»Unzweifelhaft! Ich habe diese Menschen sogar gesehen.«
»Haben Sie nach Polizei gesandt?«
»Nein.«
»Mein Gott, das war doch das Allernächste! Bedarf man im Orient in solchen Fällen nicht der Polizei?«
»In grad einem solchen Falle allerdings nicht.«
»Sie meinen, daß es meiner Dienerschaft gelingen werde, den Anschlag zu verhüten?«
»Ja. Sie brauchen nur einen Einzigen hinter das Hausthor zu stellen. Er vermag mit einem Revolver sie alle abzuwehren.«
»Gott sei Dank! Ich werde sofort meine Befehle geben.«
Sie wollte sich schnell erheben; er aber machte eine bittende Handbewegung und sagte:
»Warten Sie noch, gnädige Baronesse! Ich komme in einer ganz besonderen Absicht zu Ihnen. In dieser Absicht liegt es, die Banditen ungehindert in das Haus und sogar bis in Ihr Schlafzimmer gelangen zu lassen.«
Sie erschrak von Neuem.
»Mein Gott! Warum denn das?« fragte sie.
»Muß ich Ihnen das sofort erklären, oder haben Sie das Vertrauen, mit meiner Erklärung zu warten, bis der Angriff vorüber ist?«
Sie blickte ihm zweifelhaft in das Gesicht.
»Durchlaucht,« antwortete sie, »ich vertraue Ihnen. Aber Ihr Eintritt bei mir ist ein so räthselhafter, daß – daß –«
»Nun wohl,« meinte er lächelnd. »So muß ich mich legitimiren. Ich werde Ihnen einen Namen nennen, dessen Klang Sie bewegen wird, sich mir ohne Rückhalt anzuvertrauen.«
»Welcher Name wäre das?« fragte sie mit Spannung.
»Gustav Brandt.«
Sie fuhr empor.
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