Der verlorne Sohn
kommt?«
»Ja.«
»Das ist ja gar nicht nöthig. Sie brauchen den Namen nur aufzuschlagen, weiter nichts.«
»Aber ich weiß doch nicht, wo er steht!«
»Es geht nach dem Alphabet, meine Gnädige!«
Da begann es in ihrem Kopfe zu dämmern. Sie machte als Zeichen ihres Erstaunens den Mund auf und fragte: »Ach so! Das ist kein Buch, sondern ein Register?«
»Ja,« lachte er. »Ein Register ist es. Welchen Namen wollen Sie wohl finden?«
»Landrock.«
»So schlägt man das L auf. Hier! Was ist der Mann?«
»Wachtmeister.«
Der Kellner suchte und sagte dann:
»Einen Wachtmeister Landrock giebt es nicht.«
»Siehst Du!« meinte der Köhler. »Ich hatte doch recht. Die Leute sind todt.«
»Na, das schadet nichts. Da suchen wir Eliassens auf.«
»Elias?« fragte der Kellner. »Was ist er?«
»Tanzmeister.«
»Ah! Hier, das scheint er zu sein: Arthur Elias, Maler und Balletmeister.«
»Was ist Ballet?«
»Tanz, nämlich Tanz auf dem Theater.«
»Dann ist er es. Maler auch? Ja, er ist es. Wo wohnt er?«
»Ich werde es Ihnen aufschreiben.«
Er notirte die Adresse auf einen Zettel. Unterdessen kosteten die Beiden von dem Eierpunsch, und dann fragte die Alte: »Wie heißt das Zeug?«
»Eierpunsch.«
»Was kosten die beiden Gläser?«
»Einen Gulden.«
Als sie ihn ganz fassungslos anblickte, wiederholte er es.
»Einen Gulden?« fragte sie trotzdem.
»Ja.«
»Das machen Sie mir aber nicht weiß!«
»Bitte sehr! Das ist hier fester Preis.«
»Wie? Was? Sie wollen wirklich einen Gulden?«
»Ich muß ihn verlangen, denn ich muß ihn ja bezahlen.«
»Da wollen wir uns doch gleich einmal erkundigen. Schicken Sie uns Ihren Herrn her. So rasch gehen wir doch nicht auf den Leim. Ich bin die Frau Hendschel. Verstanden?«
Der Kellner zuckte die Achsel und entfernte sich. Der Wirth kam und bestätigte, daß der Preis der genannte sei.
»Na, da hört aber Alles auf!« sagte die gute Frau. »Ich habe auch meine Zunge und meinen Geschmack. Ich weiß jetzt, was dazu ist: Ein Ei für zwei Kreuzer. Und dafür verlangen Sie einen Gulden. Hören Sie, da werden wir wohl nicht ewig Ihre Stammgäste sein.«
»Dann muß ich leider verzichten!« lächelte er.
»Geht denn gar nichts ab?«
»Hier wird nicht gehandelt.«
»Na, da haben Sie das Sündengeld! Jetzt aber komm, Alter, sonst läuft mir die Galle vollends über, und dann ist nicht gut mit mir zu reden. Für so ein Geld lassen wir uns wohl nicht gleich wieder ›meine Herrschaften‹ nennen!«
Sie ergriff den Handkorb und den rothen Regenschirm, stülpte ihrem Alten den Hut auf den Kopf und zog ihn mit sich fort. Draußen aber blieb sie stehen und machte ihrem Herzen so kräftig Luft, daß endlich ein Schutzmann herbeikam und sie fragte: »Hören Sie, meine Beste, ist dieser Herr Ihr Mann?«
»Ja, wer denn sonst?«
»Bitte, wenn Sie ihn auszanken wollen, so wählen Sie dazu eine andere Zeit und einen anderen Ort.«
»Auszanken?«
»Ja. Ich sehe und höre es ja. Alle Leute bleiben stehen.«
»Wer sind Sie denn?«
»Ich bin Polizist.«
Dieses Wort übte sofort eine heilsame Wirkung.
»Herjesses!« sagte sie. »Soll ich etwa wegen dieser Prellerei noch mit der Polizei zu thun bekommen! Das fällt mir nicht ein.«
»Wer hat Sie geprellt?«
»Die Leute da drin. Wir haben für zwei Glas Eierpunsch einen Gulden bezahlen müssen.«
»In erster Classe? Das wird da bezahlt.«
»Na, aber wir sind das nicht gewöhnt.«
»Sie sind natürlich nicht von hier?«
»Nein. Wir sind mit dem letzten Zuge gekommen.«
»Zu wem wollen Sie denn? Vielleicht kann ich Ihnen Auskunft geben.«
Sie nannte ihm Namen und Straße, und er meinte:
»Das ist weit von hier. Sie werden eine Droschke nehmen müssen, wenn Sie sich nicht verirren wollen.«
»Na, nur sachte! Ich verirre mich im Walde nicht, viel weniger aber hier!«
»O, man geht hier viel leichter irre als im Walde. Sie wissen ja gar nicht, wie die Straßen heißen.«
»Kostet aber etwa die Droschke auch einen Gulden?«
»Bis dahin, wohin Sie wollen, nur einen halben.«
»Na, den können wir noch riskiren. Haben wir für einen ganzen Gulden Punsch getrunken, so können wir nun auch für einen halben Gulden spazieren fahren. Ich habe ja noch dreizehn. Komm Alter!«
Und indem er sich von ihr nach der Droschke ziehen ließ, sagte er:
»Noch dreizehn hast Du?«
»Ja, doch!«
»Da hast Du wohl die Bahnbillets umsonst bekommen?«
»Die Billets? Herr Jesses! An die habe ich gar nicht gedacht. Da wollen wir doch
Weitere Kostenlose Bücher