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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Pinsel darauf geworfen. Sehen Sie die umgestürzte Terpentinflasche? Dieser Mensch hat mich auf sie geworfen. Ich verlange, daß Beide arretirt werden!«
    »Warum vergreifen Sie sich an dem Herrn Balletmeister?« fragte der Polizist die Beiden.
    »Wir uns an ihm?« antwortete der Köhler. »Das ist wohl anders. Er hat sich an uns vergriffen.«
    »Lüge!«
    »Wir wollten gehen; er aber wollte meine Frau festhalten. Darum wehrte sie sich.«
    »Warum wollte er sie halten?«
    »Um ihr Grobheiten sagen zu können.«
    »Das ist mir unverständlich. Wer sind Sie?«
    Der Köhler erzählte ihm den Hergang nach seiner Weise. Der Maler und dessen Frau gaben ihre Commentare nach ihrer Weise und verlangten die Arretur. Der Polizist zuckte die Achsel und meinte: »Mir scheint, daß hier die Schuld des Einen so groß ist wie diejenige des Andern. Aber Sie sind fremd, Herr Hendschel. Ich muß Sie bitten, mir zu folgen.«
    »Wohin denn?« fragte der Köhler.
    »Nach dem Polizeibüro.«
    »Was? Meine Frau wohl auch mit?«
    »Ja.«
    »Sie wollen uns also arretiren?«
    »So will ich es nicht nennen. Ich will sagen, sistiren. Sie sollen Gelegenheit finden, Ihre Aussage an competenter Stelle abzugeben.«
    »Das ist gleich; es ist arretirt.«
    »Ich hoffe, daß Sie keinen Widerstand leisten!«
    »Das fällt mir gar nicht ein. Ich bin ein ruhiger Bürger und habe hier nichts gethan, als meine Frau aus den Händen dieses Mannes frei gemacht.«
    »Mein zerbrochenes Bild!« jammerte Arthur.
    »Sie müssen Schadenersatz leisten,« sagte seine Aurora.
    »Meine Venus!«
    »Waschen Sie sie ab!« meinte der Köhler.
    »Mein Terpentinöl!«
    »Lecken Sie es auf!«
    Da legte ihm der Schutzmann die Hand auf den Arm und warnte ihn:
    »Regen Sie ihn nicht noch mehr auf. Folgen Sie mir, sonst wird die Sache noch schlimmer.«
    Mann und Frau folgten ihm, begleitet von den Verwünschungen des künstlerischen Ehepaares. Unten im Hausflur blieb der Schutzmann stehen, betrachtete die Beiden kopfschüttelnd und sagte:»Wir können aber nicht gehen.«
    »Warum nicht?«
    »Ihre Tracht ist so auffällig, daß uns die Jungens nachlaufen würden, wenn Sie als Arrestant die Straße beträten.«
    »Sie wollen fahren?«
    »Ja.«
    »Na, die Droschke bezahlen wir aber nicht!«
    »Zunächst allerdings werde ich sie bezahlen.«
    Sie hatten nicht lange im Flur zu warten, bis ein Fiaker vorüberkam, dessen sie sich bedienten.
    Auf dem Büro machten die Beamten große Augen, als sie die Beiden erblickten. Der Schutzmann machte seinem Vorgesetzten Meldung, und dieser nahm das Ehepaar in Verhör. Sie erzählten den Vorgang der Wahrheit gemäß. Als sie geendet hatten, fragte er lächelnd: »Sie sind zum ersten Male in der Hauptstadt?«
    »Ja.«
    »Haben Sie denn früher mit Herrn Arthur Elias irgend welchen Umgang gepflogen?«
    »Nein.«
    »Dachte es mir! Ihr Gebirgsleute haltet so fürchterlich auf Freundschaft, daß Ihr den hundertsten Vetter des tausendsten Schwagers noch umarmen möchtet. Das ist übertrieben und führt zu Unzuträglichkeiten wie die gegenwärtige ist. Der Maler wird auf Hausfriedensbruch und Schadenersatz klagen.«
    »Von Hausfriedensbruch ist keine Rede. Wir wollten gehen, er aber hat uns gehalten.«
    »Trotzdem möchte ich Sie hier behalten.«
    »Was! Als Gefangene etwa?«
    »Ja.«
    »Herrgott!«
    »Ja, ja! Es thut mir leid. Sind Sie bereits einmal bestraft worden?«
    »Niemals!«
    »Sie sind jedenfalls sehr brave Leute. Ich möchte Ihnen nicht gerne wehe thun. Können Sie sich denn genügend legitimiren?«
    »Was ist da nöthig?«
    »Ein Paß!«
    »Haben wir nicht.«
    »Auch nicht vielleicht etwas Anderes? Einen Brief?«
    »O, da haben wir sogar zwei.«
    »Die an Sie gerichtet gewesen sind?«
    »Ja. Wegen diesen Briefen sind wir ja eben nach der Hauptstadt gekommen.«
    »Zeigen Sie einmal her!«
    Hendschel zog die beiden Schreiben hervor und gab sie dem Beamten. Das Gesicht desselben nahm während des Lesens einen ganz anderen Ausdruck an. War es vorher wohlwollend gewesen, so wurde es jetzt freundlich. Er winkte seinen Untergebenen zu und sagte zu dem Köhler:»Das giebt der Angelegenheit freilich eine ganz andere Wendung. Einen Mann, dem wir so viel zu verdanken haben, können wir unmöglich einstecken.«
    »Zu verdanken?« fragte der Köhler verwundert.
    »Ja doch.«
    »Ich weiß nichts.«
    »Sie kennen doch einen Polizeiagent Anton?«
    »Den kenne ich.«
    »Sie waren mit ihm in Langenstadt?«
    »Ja.«
    »Sie haben ihn veranlaßt, dorthin zu

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