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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dienerschaft haben Sie im Hause?«
    »Sechs Personen mit der Zofe.«
    »So mag die Letztere sich schnell ankleiden, um den Anderen zu sagen, daß sie sich fest einschließen sollen, damit sie nicht in Gefahr kommen.«
    Sie gab den Befehl und fragte dann:
    »Und wie soll ich mich verhalten?«
    »Sie bleiben angekleidet mit der Zofe in deren Zimmer, dessen Thür wir auch verriegeln. Ich werde diese Menschen hier im Boudoir empfangen.«
    »Das geht nicht, Durchlaucht!« sagte sie ängstlich.
    »Warum nicht?«
    »Sie setzen sich da einer fürchterlichen Gefahr aus!«
    »Glauben Sie das nicht. Ich verstehe, mit solchen Leuten umzugehen.«
    »Aber sie werden bewaffnet sein.«
    »Ich auch.«
    Er zog seine beiden Revolver vor.
    »Eine Kugel kann Sie doch während des Kampfes treffen.«
    »Man wird gar nicht daran denken, auf mich zu schießen. Ich bitte dringend, zu thun, was ich Ihnen vorschlage.«
    »Aber was werden Sie mit diesen Leuten beginnen?«

    »Das kommt ganz darauf an, was sie selbst beginnen werden. Bitte, treten Sie ein! Es gilt, keine Zeit zu verlieren.«
    Die Zofe war von ihrem Gange zurückgekehrt, und die Baronesse schloß sich mit ihr ein. Jetzt nun zog der Fürst jenes Etui hervor, welches er sich von dem Diener hatte geben lassen. Auf demselben befand sich in arabischer Schrift und Golddruck das Wort »Lahialaki« eingegraben. Er öffnete. Es zeigte eine ganze Menge von Fächern, welche mit verschiedenen Gegenständen und Ingredienzien angefüllt waren. Er zog ein Läppchen hervor und trat an den Spiegel. Ein rascher Strich entfernte – die schmale, rothe Narbe, welche sich über sein Gesicht zog. Er wischte sich mit dem Läppchen das letztere und sofort nahm dieses eine weit dunklere Färbung an. Mit einem anderen Läppchen sich über die Haare des Scheitels und des Bartes gestrichen, gab denselben eine graue Farbe. Dazu eine blaue Brille, und der Greis von achtzig Jahren war fertig.
    Das Feuer des Kamins war ausgebrannt. Der Fürst setzte ein Licht hinein und verschloß die Thür. Dann löschte er die andern Lichter aus und nun war es finster im Boudoir.
    Der Kamin trat sehr weit vor, hinter demselben stand ein Stuhl, auf welchem der Fürst sich niederließ. Er brauchte nicht zu befürchten, sofort gesehen zu werden, und zudem war es ihm von hier aus ein Leichtes, den nahen Gascandelaber anzuzünden.
    Jetzt wartete er, zwar mit Spannung, aber ohne Sorge der Dinge, die da kommen sollten. Fünf Minuten, zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten vergingen – eine halbe Stunde war vorüber; da endlich vernahm der Fürst ein leises, leises Knarren.
    »Ah! Sie kommen!« murmelte er. »Sie werden ebenso leer wieder gehen müssen und dürfen Gott danken, wenn ihnen überhaupt das Fortgehen erlaubt ist.«
    Man kam näher. Es wurde an der Thür probirt, ob dieselbe verschlossen sei. Dies war nicht der Fall.
    »Es ist offen!« flüsterte eine leise Stimme.
    »Wohin kommen wir?«
    »In das Boudoir.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Erst in’s Schlafzimmer der Zofe und nachher in dasjenige der Herrin. Der Hauptmann hat es gesagt. Er muß selbst dagewesen sein.«
    »Vorwärts also! Leuchte einmal, ob Jemand hier ist!«
    Einer von ihnen zog eine Diebeslaterne hervor und ließ einen Lichtstrahl langsam umhergleiten.
    »Niemand hier,« sagte er.
    »Also die Thür auf!«
    Der diese Worte sprach, war ein entsetzlich langer und starker Mensch. Er schien den Anführer zu spielen. Der Fürst hatte beim Scheine der Diebeslaterne sein Gesicht und seine Gestalt gesehen.
    »Alle Teufel! Der Riese Bormann!« dachte er. »Dieser ist ja gefangen! Wie kommt er heraus? Hm. Jetzt geht mir ein Licht auf. Auf ihn bezieht sich das umgedrehte Alibi. Das werde ich enträthseln.«
    Ein Schlüssel klirrte leise, ganz leise im Schlosse. Jetzt mußten die beiden Frauen merken, daß die Einbrecher angekommen seien.
    »Donnerwetter!« murmelte der Probirende.
    »Paßt der Schlüssel nicht?«
    »Esel! Meine Schlüssel passen stets! Aber die Thür ist nicht nur verschlossen, sondern auch von innen verriegelt.«
    »Pest!« meinte der Riese. »Da ist es am besten, ich trete sie ein.«
    »Nein, das macht zuviel Lärm. Wir müssen eine List anwenden.«
    »Welche denn?«
    »Ich klopfe und thue, als ob ich ein Diener bin. Da wird das Kätzchen jedenfalls aufmachen.«
    »Möglich. Wollen’s versuchen.«
    »Meinetwegen. Aber wir sind ja bereits Herren des Hauses,« meinte der Riese; »wir wollen uns also immerhin das Gas anzünden.«
    Er trat zu

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