Der verlorne Sohn
Eurigen des Lebens freuen, und im Alter wäre es Euch dann möglich, Euer Haupt in Frieden zur Ruhe zu legen. Ueberlegt Euch das! Ihr habt keinen besseren Freund, als den Fürsten des Elendes. Auch Ihr lebt im Elende; auch Ihr seid also meine Kinder, die ich retten möchte. Daß ich es gut mit Euch meine, beweise ich, indem ich Euch erlaube, ungestraft von hier zu gehen. Ich verspreche Euch, daß kein Mensch erfahren soll, was hier geschehen ist. Aber sagt Eurem Hauptmann, daß ich ihn zertreten werde wie einen Wurm, wenn er es noch ein einziges Mal wagt, den kleinsten Finger gegen dieses Haus und seine Besitzerin zu erheben. Sagt ihm das ja, vergeßt es nicht! Dieses Mal mag es ihm noch verziehen sein; ein zweites Mal ist er verloren, und Die mit ihm, welche es wagen, gegen meinen Willen zu handeln. Ich werde Euch zeigen, wer mächtiger ist, er oder ich. Und ebenso werdet Ihr erfahren, wer mehr auf Euer wahres Glück bedacht ist, er oder ich. Das ist es, was ich Euch sagen wollte. Indem ich Euch gehen lasse, schenke ich einem Jeden von Euch wenigstens zehn Jahre Zuchthaus. Bedenkt das recht, und handelt danach. Jetzt geht! Gute Nacht!«
Diese einfachen, kernigen Worte hatten einen tiefen Eindruck hervorgebracht. Keiner von ihnen sprach ein Wort, bis sich endlich der Riese erhob und sagte: »Millionendonnerwetter, der Fürst hat im Grunde Recht! Kommt, Jungens; wir wollen verschwinden wie Schulbuben, welche die Ruthe bekommen haben! In dieses Haus treten wir nicht wieder!«
Sie schritten im Gänsemarsch, Einer hinter dem Anderen, zur Thüre hinaus. Im Nu zog der Fürst sein Etui wieder hervor und hatte in Zeit von einer Minute sein vorheriges Aussehen wieder hergestellt. Dann nahm er das Licht aus dem Kamine, welches er gar nicht gebraucht hatte, und folgte ihnen vorsichtig. Er hörte unten die Thür öffnen und dann wieder verschließen und wußte nun, daß die Gefahr vollständig vorüber sei.
Als er wieder oben in das Boudoir trat, hatte die Baronesse eben auch ihre Thür geöffnet, um bei der herrschenden Stille zu probiren, ob die Verbrecher wirklich verschwunden seien.
»Sind sie fort, wirklich fort?« fragte sie, ihm entgegentretend.
»Ja, Alle, gnädige Baronesse. Haben Sie Alles vernommen, was gesprochen worden ist?«
»Alles, jedes Wort! Herr, mein Gott, was habe ich erfahren! In welcher Gefahr habe ich mich befunden! Und die Rettung danke ich Ihnen, nur Ihnen allein!«
Sie streckte ihm beide Hände entgegen; er ergriff dieselben, drückte seine Lippen auf ihre Rechte und sagte in tiefer Bewegung: »Ich würde Sie mit meinem Leben vertheidigt haben, wenn es nothwendig gewesen wäre!«
»Ich danke, danke! Aber warum haben Sie diese Menschen denn entkommen lassen?«
»Ich habe dabei eine besondere Absicht, welche ich Ihnen vielleicht noch erklären werde.«
»Ach ja! Ich hörte zu meinem Erstaunen, daß Sie der berühmte Fürst des Elendes sind, welchem so Viele ihr Glück und ihre Rettung verdanken. Dies war eine Stunde der Gefahr und der Entdeckungen. Ich werde sie im Leben nie vergessen!«
»Aber eine Bitte darf ich aussprechen?«
»Ich werde Alles thun, was ich kann! Sprechen Sie!«
»Sie haben gehört, was ich den Einbrechern versprochen habe?«
»Was meinen Sie?«
»Daß von diesem Einbruche nicht gesprochen werden soll. Wollen Sie mir erlauben und beistehen, mein Wort zu halten?«
»Wie müßte ich das wohl anfangen?«
»Sie dürften selbst nicht darüber sprechen.«
»Wenn es Ihr Wunsch ist, werde ich schweigen.«
»Und bitte auch die Zofe und die andere Dienerschaft zum Schweigen veranlassen!«
»Ich werde mein Möglichstes thun, kann aber leider keine vollständige Garantie übernehmen,« erklärte sie lächelnd.
»Und noch eine Bitte, welche mir sehr, sehr am Herzen liegt: Es soll und darf Niemand erfahren, daß ich es bin, den man den Fürsten des Elendes nennt!«
»Das weiß nur ich und die Zofe. Wir werden schweigen«
»So bin ich darüber beruhigt und darf wohl jetzt um meine Entlassung ersuchen!«
Sie erschrak beinahe.
»Sie wollen mich verlassen?« fragte sie. »Ist das unbedingt nothwendig. Durchlaucht?«
»Nicht unbedingt, aber doch wünschenswerth.«
»Warum wünschenswerth?«
»Aus zwei Gründen. Erstens möchte ich beobachten, was die fortgegangenen Leute thun, und zweitens befinden Sie sich außer aller Gefahr, und ich darf nicht wagen, Sie länger zu incommodiren.«
Sie warf, ein Wenig erröthend, allerdings einen Blick auf ihr mehr als reizendes
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