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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unten sehen!«
    »Wenn wir es dumm anfangen, ja; aber wir werden es eben nicht dumm anfangen. Ich habe eine kleine Windlaterne, die man beliebig öffnen kann!«
    »Es giebt auch noch weitere Unklarheiten. Selbst wenn wir die Geschmeide bekämen, würde es uns nichts helfen. Die beiden Polizisten würden ja sagen, daß sie die Ringe von Mehnert gekauft haben.«
    »Der behauptet aber, daß dies nicht wahr ist. Er verkauft ihnen die gestohlenen, behauptet aber das Gegentheil. Er zeigt die Zeichnung zweier Ringe vor, welche er ihnen verkauft haben will, und diese Ringe werden auch bei ihnen gefunden. Dann sind die beiden Spione überführt.«
    Die langsam denkende Jette schüttelte den Kopf. Die resolute Zofe aber fuhr in fast strengem Tone fort: »Also entschließen Sie sich! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Machen Sie mit?«
    »Ich möchte doch lieber verzichten!«
    »So! Sie sind betrogen worden. Ihr Vater stirbt im Zuchthause oder auf dem Schafot; Ihre ganze Familie ist in’s Verderben gestürzt, und dafür lassen Sie Ihren lieben Adolf jetzt Hochzeit und dann später Kindtaufe machen!«
    Das wirkte und Jette meinte:
    »Ich will mitgehen, wenn nämlich alle Fenster wirklich finster sind, sonst aber nicht.«
    »Bleiben Sie hier, ich werde die Schlüssel holen.«
    Sie stand auf und trat zu Mehnert, welcher in der Nähe an einem Pfeiler lehnte.
    »Nun, haben Sie einen Plan?« fragte er.
    »Ja, und zwar einen sehr guten.«
    »Kann ich vielleicht mit helfen?«
    »Ja. Ich brauche Ihre Hilfe sogar sehr nothwendig.«
    »Ich stelle mich gern zur Verfügung.«
    »Können Sie denn schweigen?«
    »Auf ihren Wunsch wie das Grab.«
    »Gut! Sie sollen mich nach Hause führen; aber ich stelle die Bedingung, daß Sie jetzt zuvor nach Hause eilen und mir zwei Damenringe mit nachgemachten Steinen holen.«
    »Wozu?«
    »Das werden Sie später erfahren. Jetzt ist die Zeit zu kurz.«
    »Beschreiben Sie mir die Façon, welche Sie wünschen!«
    »Weiß es selbst nicht. Es sollen zwei Ringe sein, welche die beiden Polizisten ungefähr kaufen würden. Außerdem müssen sie Ihnen so bekannt sein, daß Sie sie später ganz genau beschreiben können.«
    »Das wäre das wenigste. Also gleich wollen Sie sie haben?«
    »Gleich. Doch soll Niemand etwas davon bemerken.«

    »Ich gehe sofort!«
    Er eilte hinaus. Sie folgte langsamer, nickte aber vorher der Dicken für eine Weile Geduld zu. –
    Außer den bisher erwähnten Personen befand sich noch ein Bekannter im Saale, nämlich der lustige Paukenschläger Hauck, der freilich heute nicht bei guter Laune zu sein schien. Neben ihm saß der dritte Violinist. Dieser sagte in einer Pause kopfschüttelnd zu Hauck: »Mensch, was ist denn heute mit Dir? Du bist ja wie umgewechselt! Was machst Du für ein Gesicht?«
    »Ich habe den Bandwurm.«
    »Ja, im Kopfe, aber nicht im Leibe!«
    »Na, ja. Es wurmt mich.«
    »Was denn?«
    »Daß ich hier sitzen und Musik machen muß, während Andere tanzen können.«
    »Alle guten Geister! Was sind das für Marotten! Solche Gedanken hast Du noch nie gehabt!«
    »Aber heute!«
    »Ja, das merkt man. Vorhin hast Du Dich um volle vier Takte verzählt! Das ist bei Dir noch gar nicht vorgekommen.«
    »Na, bei so einem Gesicht kann es vorkommen; da kann Einem sogar noch viel mehr passiren.«
    »Von welchem Gesichte faselst Du denn?«
    »Siehst Du es denn nicht?«
    »Sapperment, ich sehe hundert Gesichter! Welches meinst Du?«
    »Ach so! Hm, ja! Ich dachte, weil es mir auffällt, müßtest Du auch die Augen dort haben. Siehst Du dort die offene Zimmerthür?«
    »Ja; sie ist ja groß genug, denke ich.«
    »Es sitzen Leute drin. Aber von hier aus kann man nur die hinterste Tischecke sehen, und daran sitzt sie.«
    Der Violinist ließ einen leisen Pfiff hören und sagte:
    »Famos! Allerdings famos!«
    »Diese Augen!«
    »Wie Karfunkel!«
    »Das Haar!«
    »Viel schöner als bei meiner Alten!«
    »Das will ich meinen! Dieses Näschen, und der Mund!«
    »Zum Schmatz-, wollte sagen, zum Küssen!«
    »Der Hals, die Büste!«
    »Die reine Venus!«
    »Ja. Das Gesicht hat aber einen wehmüthigen Ausdruck, so wie ein lautloses Verzichtleisten auf – –«
    »Auf Milchkaffee!«
    »Unsinn! Rede nicht so dumm!«
    »Mensch, dieses Mädchen hat Dir’s angethan!«
    »Vielleicht!«
    »Du bist am Ende gar verliebt!«
    »Bis über die Ohren!«
    »So schütze Dich der heilige Baldrian! Wer verliebt ist, der ist verloren!«
    »Du warst auch einmal verliebt.«
    »Darum bin ich auch verloren. Ich

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