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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie.
    »So gehen Sie anderwärts zum Tanze?«
    »Nein. Ich tanze nie!«
    »Ach! Wie schade!«
    Das klang so aufrichtig, daß sie fragend emporblickte.
    »Ich meine, es wäre so schön, wenn man Sie öfter hier sehen könnte,« erklärte er.
    »Wem könnte daran liegen!« sagte sie trübe.
    »Mir!«
    Er erschrak, als er dieses sein eigenes Wort hörte. Er hatte es zurückhalten wollen, aber es war ihm zu schnell entschlüpft. Es kam ihm aus dem Herzen.
    »Ihnen?« fragte sie, ihm ernst ins Gesicht blickend. »Das sagen Sie natürlich aus Höflichkeit.«
    »Nein, nein!« antwortete er rasch.
    »O, Sie kennen den Vater und haben es für eine Aufmerksamkeit gehalten, mit einer seiner Töchter zu tanzen.«
    »Das denken Sie ja nicht. Mit solchen Aufmerksamkeiten gebe ich mich nicht ab. Ich thue nur das, was ich überhaupt gern thue, und diesen Walzer wollte ich eben so sehr gern mit Ihnen tanzen.«
    »Warum mit mir?«
    Das war keine Koketterie, um irgendeine Schmeichelei zu hören. Sie blickte ihn dabei so ernst, fast traurig an, daß eine Frivolität ganz undenkbar war.
    »Weil es hier keine Andere giebt, welche ich engagiren möchte,« antwortete er. »Sie haben da eine Nelke an der Brust, Fräulein Werner. Ich bin ein so großer Nelkenfreund, und doch kommt Unsereiner so selten dazu, an Blumen zu denken: ich – ich –«
    Er brachte die Bitte aber doch nicht ganz hervor; sie aber nahm die Blume von der Brust und sagte:
    »Sie wollen sie gern haben? Hier ist sie, Herr Hauck!«
    »Aber Sie trennen sich nur ungern von ihr?«
    »Nein. Ihnen gebe ich sie gern.«
    »Warum mir? Ich will einmal gerade so fragen, wie Sie vorhin.«
    »Nun, weil hier kein Zweiter ist, dem ich sie geben möchte. Sie sehen, daß ich genau so antworte wie Sie.«
    Ein leises Lächeln spielte dabei um ihre Lippen. Er bemerkte das und sagte:
    »So sollten Sie öfters lächeln, immer, immer. Sie aber scheinen stets ernst zu sein.«
    »Ich habe alle Ursache dazu, für mein Lebelang dem Lachen zu entsagen. Bitte, wir sind an der Reihe.«
    Sie gab ihm den Arm, und sie tanzten weiter. Dann führte er sie dem Vater zu und kehrte zum Orchester zurück. Dort saß er still und in sich gekehrt. Er kannte Werner, aber er kannte nicht das Schicksal Laura’s. Er hatte ganz zufälliger Weise nichts davon gehört. Was hatten die traurigen Worte zu bedeuten: »Ich habe alle Ursache dazu, für mein Lebelang dem Lachen zu entsagen?«
    Da fiel sein Blick auf die Zofe und auf Jette, welche so eifrig mit einander sprachen. Er dachte jetzt plötzlich an die Worte: »Ja, denken Sie sich diese Werners Tochter im Gefängniß!«
    Es durchzuckte ihn ein plötzlicher Gedanke. Wer war da gemeint? Eine von Werners Töchtern? Etwa gar diese ernste, gute Laura? Waren diese Worte nur zufällig; hatten sie mit Werners Anwesenheit nichts zu schaffen?
    Aber da bemerkte Hauck die öfteren zornigen, haßerfüllten Blicke, welche die beiden Mädchen nach der offenen Thür warfen. Da gab es keinen Zufall. Wovon sprachen sie? Was meinten sie?
    Er hielt selbst während der Musik die Augen mehr auf die Sprecherinnen, als auf die Noten geheftet. Er sah Hulda aufstehen und zu Mehnert treten, den er aber auch nicht kannte. Es wurden Worte gewechselt. Mehnert ging, Hulda auch; vorher aber warf sie jenen Blick auf die dicke Jette, und der fiel dem Paukenschläger besonders auf.
    Er fühlte sich außerordentlich besorgt. Es war ihm als ob etwas geschehen sollte, was er zu verhüten suchen müsse. Aber er wußte nicht, wie er dieses Letztere anzufangen habe. Später trat Mehnert wieder ein. Auch die Zofe kehrte zurück. Beide sprachen mit einander. Er gab ihr etwas, was sie betrachtete. Dann winkte sie der dicken Apothekerstochter und verließ mit ihr den Saal. Sie hatte etwas bei sich getragen, irgend einen nicht sehr großen Gegenstand, leicht in das Concerttuch eingeschlagen. Zu welchem Zwecke? Warum hielt sie es umwickelt, also verborgen? Und bevor die Beiden den Saal verließen, schweiften ihre Blicke noch drohend nach dem offenen Nebenzimmer. Hauck sah dies ganz deutlich. Es litt ihn nicht länger auf seinem Platze. –»Du, nimm die Pauken doch noch einmal,« sagte er zu dem dritten Violinisten.
    Er verließ eiligst den Saal, um die beiden Mädchen zu beobachten. Er kam noch zeitig genug, sie im Schein der Gaslaternen hinter der nächsten Ecke verschwinden zu sehen und eilte ihnen nach mit dem Vorsatze, ihnen zu folgen, wohin sie auch gehen würden.
    Mehnert hatte natürlich der Zofe die

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