Der verlorne Sohn
bleibe die dritte Geige bis an mein sanftseliges Ende. Soll es mit Dir auch so bleiben? Willst Du nicht von der Pauke weg?«
»Freilich will ich weg, und zwar sofort! Einen Walzer möchte ich tanzen mit ihr, so einen sanften, zarten.«
»Ja, so ungefähr
Komm, lieber Heinerich,
Komm, komm und küsse mich!«
»Spaß beiseite! Kennst Du sie?«
»Nein. Du?«
»Auch nicht, Esel! Sonst fragte ich doch nicht!«
»Besten Dank für den neuen Vornamen, den ich da bekomme. Du bist aber ein noch viel größerer Esel als ich! Wenn Du wissen willst, wer sie ist, so gehe doch hin und frage sie selber!«
»Ich kann ja nicht fort!«
»Unsinn! Meine dritte Geige ist nicht so nothwendig. Gehe nur getrost, mein Sohn! Ich schlage Deine Pauken.«
»Wenn Du das wolltest!«
»Natürlich will ich es. Du bist wahrhaftig verliebt bis über die Ohren. Weißt Du:
Sieht der Jüngling nur die Jungfrau an,
Gleich fängt das Herz zu pinken an!«
»Sei still mit Deinen Vogelschießreimen und passe lieber auf die Noten auf, wenn Du die Pauken nimmst. Ich will sie Dir anvertrauen.«
»Und ich will Dir den Walzer bestellen. Falle nur nicht hin mit der – lautlosen Verzichtsleiste!«
Hauck verließ das Orchester. Gerade als er an dem Tische vorüberkam, an welchem die Zofe mit der Jette saß, hörte er die Erstere sagen: »Ja; denken Sie sich diese Werners Tochter im Gefängniß!«
Das war nur Zufall, und er dachte sich auch gar nichts dabei. Als er an die offene Thür kam, erblickte er die im Zimmer sitzende Gesellschaft. Werner saß ihm mit dem Gesichte entgegen und erkannte ihn sofort.
»Herr Hauck! Guten Abend!« grüßte er, ihm die Hand entgegenstreckend. »Wollen wir nicht wieder einmal so einen Streich ausführen?«
»Wie, welchen?«
»Nun, wie damals auf dem Bellevue, wo Sie die Dame machten?«
Die Anwesenden lachten. Sie kannten ja alle den Streich, so wie die ganze Stadt ihn kannte. Auch die drei Mädchen hatten von ihm gehört und betrachteten sich neugierig den jungen Mann, welcher der Held jenes Scherzes gewesen war.
Hauck sah die dunklen, großen Augen Laura’s auf sich gerichtet und erröthete wie ein Kind.
»Hier sind meine Töchter, und hier ist Herr und Fräulein Landrock,« stellte Werner die Genannten vor.
Daß das hübsche Mädchen Werners Tochter sei, das überraschte ihn so, daß er unvorsichtig äußerte:
»Was! Ihre Tochter ist sie?«
»Ja, meine Tochter ist sie!«
Jetzt bekam das gute, aufrichtige Gesicht des Paukenschlägers einen ganz unbeschreiblichen Ausdruck, welcher unwillkürlich zum Lachen reizte. Doch er erlangte sehr schnell seine Fassung wieder und antwortete, indem er auf Laura zeigte: »Diese Dame meinte ich.«
»Laura? Was ist mit ihr?«
»Ich sah sie vom Orchester aus sitzen. Ich kenne alle Damen, welche hier verkehren, sie aber kannte ich noch nicht. Darum fiel sie mir auf, und darum – darum –«
»Darum kamen Sie, um zu erfahren, wer sie ist?« fiel ihr Vater ein.
»Ja,« antwortete er aufrichtig.
»Da ist’s ein wahres Glück, daß ich es wußte und es Ihnen gleich sagen konnte?«
»Gewiß! Aber es ist auch noch ein anderes Glück dabei.«
»Welches?«
»Nun, der Musikdirector will jetzt einen Walzer anfangen, von dem er wissen möchte, ob er sich gut tanzt oder nicht. Ich soll das probiren. Allein tanzen, das geht doch nicht, und da könnten Sie mir mit Ihren väterlichen Rathschlägen beistehen.«
»Ich? Ich bin doch Ihr Vater nicht!«
»Aber der Vater Derjenigen, welche Diejenige ist, die mit Demjenigen – verstanden?«
»Jetzt, ja. Welche verlangen Sie denn?«
»Fräulein Laura, wenn Sie erlauben.«
»Gern. Greifen Sie zu!«
Das Mädchen sah den jungen Mann mit einem eigenthümlichen Blicke an. War das Angst oder Dank, der aus diesen dunklen Augen leuchtete?
Der Violinist hatte den Walzer erwähnt, und als Hauck nun winkte, begann der Reigen.
Er war Musikus, hatte aber selbst erst außerordentlich wenig getanzt. Bei seinem freisinnigen Wesen war es ihm noch nicht passirt, daß sein Herz ernstlich gefangen gewesen wäre. Jetzt aber war es ihm ganz unbeschreiblich zu Muthe. Es war ihm, als ob er etwas unendlich Kostbares in seinen Armen halte. Und dann, als er mit ihr Solo stand, dachte er wohl daran, daß er sich jetzt mit ihr unterhalten müsse, aber ihm, der sonst so voll bunter Raupen steckte, wollte grad jetzt nichts einfallen. Endlich aber fragte er doch:»Sie sind wohl wenig hier?«
»Ich war noch gar nicht da,« antwortete
Weitere Kostenlose Bücher