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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihr begierig fragend in die Augen.
    »Haben Sie Muth?« klang es ihm entgegen.
    »Ja.«
    »Ich meine nicht gewöhnlichen Muth.«
    »Für Sie thue ich Alles.«
    »Vielleicht werde ich Sie prüfen.«
    »Thun Sie es. Darf ich Sie heute nach Hause begleiten?«
    »Ja, gehen Sie mit. Wir können über diese Angelegenheit dann in größerer Ruhe sprechen. Ich habe das Verlangen, mich an diesem miserablen Menschen zu rächen. Wer ist denn Die, neben welcher er sitzt?«
    »Seine Braut.«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Sie ist die Tochter des früheren Wachtmeisters Landrock. – Um Ihretwillen habe ich das Alles ausgeforscht.«
    »Sie sind also bereits verlobt?«
    »Ja. Auch sein schöner College ist verlobt.«
    »Der mit d’rin sitzt? Er war auch Diener beim Fürsten.«
    »Ja, und machte es ebenso wie er. Dieser Adolf ist mit der Tochter des jetzigen Theatercassirers Werner verlobt, vorher aber betrog er ein armes Mädchen, um den Vater der Betrogenen in’s Garn zu bekommen.«
    »Wer war das?«
    »Der alte Apotheker Horn.«
    »Ah, der sich todt gestellt hat, um zu entfliehen, aber wieder gefangen worden ist?«
    »Ja. Seiner Tochter geht es ebenso wie Ihnen. Was mag sie denken, wenn sie ihn jetzt neben der Anderen sitzen sieht? Jedenfalls sinnt sie auch auf Rache.«
    »Ist sie denn hier?«
    »Ja. Dort die dicke Kleine, uns schräg gegenüber, die kein Auge von der offenen Thür verwendet. Sehen Sie die Augen, welche sie macht? Als ob sie ihn verschlingen wollte. Das wäre eine Verbündete für Sie!«
    Hulda beobachtete eine Zeitlang schweigend die dicke Jette. Dann fragte sie:
    »Woher wissen Sie auch dieses von diesem Mädchen?«
    »Hm! Eigentlich sollte ich es nicht wissen; aber ich habe es erlauscht. Bei meinem Principale wurde verschiedenes besprochen, was nicht für uneingeweihte Ohren war.«
    »Wer ist Ihr Principal?«
    »Er ist es nicht mehr, denn ich habe ihm das Geschäft vor kurzer Zeit abgekauft.«
    »So sind Sie also jetzt selbstständig?«
    »Vollständig. Ich bin mein eigener Herr und habe ein sehr gutes Auskommen. Mein Principal war jüdischer Abstammung und hieß Jacob Simeon.«
    Sie blickte schnell und überrascht auf.
    »Was! Bei dem waren Sie?«
    »Ja. Kennen Sie ihn?«
    »Gewiß! Er gehörte ja zu den Leuten des Haupt – –«
    »Woher wissen Sie, daß er zu diesen Leuten gehörte?«
    »Ich hörte es von den Polizisten, welche nach der Arretirung meines Herrn das Palais besetzten. Ich belauschte sie.«
    »Donnerwetter! Und Jacob Simeon hat fest geglaubt, daß es kein Mensch ahne.«
    »Es wurde auch nur als eine Vermuthung ausgesprochen. Ist Ihnen diese Horas da drüben nur von Weitem bekannt?«
    »Nein. Ich kenne sie näher. Ihr Vater war oft bei uns, und ich hatte zuweilen Aufträge des Principals an ihn auszurichten. Sie heißt Jette.«
    »Brr! Häßlicher Name!«
    »Ebenso häßlich wie sie selbst.«
    »Ich möchte wohl einmal mit ihr sprechen.«
    »Doch nicht!« meinte er ungläubig.
    »Warum nicht?«
    »Sie, die Schönheit selbst – –«
    »Schmeichler!« lächelte sie selbstgefällig.
    »Mit diesem Ausbund von Häßlichkeit!« fuhr er fort.
    »Sie kann ja nicht dafür.«
    »Der Diamant neben der Rußkohle.«
    »O, die Rußkohle ist sehr nützlich. Vielleicht kann mir diese Horas Jette auch nützlich sein.«
    »Nun, was das betrifft, so habe ich mit ihr gesprochen und kann Ihnen sagen, daß Sie darauf brennt, ihrem früheren süßen Adolf Eins auszuwischen.«
    »Da passen wir also ganz prächtig zusammen. Wenn Sie mit ihr über solche Sachen sprechen, müssen Sie doch recht vertraut mit ihr sein?«
    »Sie hält nicht gegen mich zurück.«
    »Nun, so machen Sie es fertig, daß sie sich her zu uns setzt!«
    »Das soll sofort geschehen.«
    Er erhob sich, um den Auftrag auszuführen. Sie bemerkte noch:
    »Sie werden uns für einige Zeit allein lassen. Ich denke nämlich, daß die Jette offenherziger sein wird, wenn Sie nicht dabei sind.«
    Er ging. Hulda sah, welch ein erstauntes Gesicht die Dicke machte, als sie die Aufforderung vernahm. Sie folgte derselben sichtlich nur zögernd. Sie gab nicht gern den Platz auf, von welchem der Ungetreue so gut beobachtet werden konnte. Bald saßen beide Mädchen neben einander, in ein sehr angelegentliches Gespräch vertieft. Es kamen einige Tänzer, um Hulda zu engagiren. Sie schlug es aber ab. Die Unterhaltung war ihr wichtiger.
    Der Goldarbeiter hatte sich nicht zu ihnen gesetzt. Es schlenderte im Saale herum und blieb dabei auch einige Male unter der offenen

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