Der verlorne Sohn
quartieren ihn in das kleine Zimmer hinter Deiner Bibliothek. Dort schließt er sich ein. Was er braucht, erhält er durch uns.«
»Das ist leichter gesagt, als gethan.«
Der Freiherr stellte sich natürlich nur so, als ob er gegen den Plan seiner Tochter sei. Er hatte ihn ja vorhin erst mit ihr besprochen. Jacob Simeon sah ein, daß ihm gar nichts Vortheilhafteres geboten werden könne; darum sagte er in dringlichem Tone: »Haben Sie keine Sorge, gnädiger Herr! Wenn Sie mich bei sich aufnehmen, sollen Sie nicht den mindesten Schaden davon haben, eher noch Vortheil.«
»Diese Vortheile möchte ich kennen lernen.«
»O, man kann ja gar nicht wissen, in welcher Weise ich Ihnen zu nützen vermag. Sie verfolgen ja mit der Kette eine Absicht, bei welcher – hm, wenigstens würde mich die Dankbarkeit zum tiefsten Schweigen nöthigen.«
»Pah! Schon Ihr eigenes Interesse gebietet Ihnen, zu schweigen. Durch Plaudern würden Sie nur sich selbst in Gefahr und Schaden bringen.«
Da fiel seine Tochter ein:
»Die Hauptsache ist noch unerwähnt geblieben. Nämlich wenn Simeon ergriffen würde und man unser Geld bei ihm fände, würde er angeben müssen, von wem er eine so hohe Summe empfangen hat.«
»Ich würde es nicht verrathen!« betheuerte der Genannte.
»Das glaube ich; aber man würde es dennoch entdecken. Da die Cassenscheine nummerirt sind, wird es der Polizei nicht schwer sein, zu erfragen, in wessen Hände sie sich zuletzt befunden haben. Jeder Bankier trägt die Nummern ein. Es liegt also sehr in unserem Interesse, daß der jetzige Besitzer nicht ergriffen wird. Bedenke das, lieber Vater!«
Erst nach einer Pause scheinbaren Nachdenkens antwortete der Freiherr:
»Du bist leider gewohnt, Alles bei mir durchzusetzen!«
»Also Du willigst ein?«
»Oho! So, so schnell geht das nicht!«
»Bedenke, es sind nur vierzehn Tage!«
»Diese Zeit ist lang genug!«
Da legte sich auch Simeon auf’s Bitten und da sie ihm beistand, so gab sich der Freiherr den Anschein, als ob von ihrer Dringlichkeit seine Bedenken besiegt würden.
»Na,« meinte er, »so will ich mich nicht länger weigern. Aber ich schiebe alle Verantwortlichkeit von mir!«
»Es giebt gar keine Verantwortlichkeit. Unser Schützling wird sich in acht nehmen.«
»Das versteht sich ganz von selbst!« sagte Simeon. »Also des Abends soll ich kommen?«
»Natürlich! Ich hoffe doch nicht, daß Sie sich am hellen, lichten Tage bei irm einstellen werden!«
»Nein. Ich warte die Dunkelheit ab. Bestimmen Sie mir die Zeit. Darf ich morgen kommen?«
»Morgen schon? Hm! Na, meinetwegen.«
»Wie viel Uhr?«
»Wenn Alles schlafen gegangen ist, natürlich. Sagen wir, gerade um Mitternacht.«
»Und der Ort?«
»Haben Sie die Linde gesehen, welche am Fahrwege steht, der zum Schlosse führt?«
»Ja.«
»Stellen Sie sich an diesem Baume ein. Ich werde Sie dort abholen. Aber bringen Sie keinerlei Gepäck mit. Was Sie brauchen, finden Sie Alles bei uns. Und noch eine sehr strenge Bedingung mache ich. Nämlich auch Ihre Angehörigen dürfen nicht wissen, daß Sie bei mir sind.«
»Das ist ja ganz selbstverständlich. Sie erfahren es auf keinen Fall, damit man es ihnen nicht entlocken kann. Den Frauen ist in dieser Beziehung ja niemals ganz zu trauen.«
»So sind wir also einig. Gehen wir jetzt?«
»Ja, aber vorher noch eine Frage!«
»Sprechen Sie!«
»Wie steht es mit den anderen fünfundzwanzigtausend Gulden, gnädiger Herr?«
»Die bekommen Sie.«
»Ja, bitte!«
Er streckte die Hand aus, als ob er sie jetzt gleich haben wolle, aber Tannenstein sagte:
»Sie haben sie erst dann zu fordern, wenn Alles geschehen ist, wenn wir das Wäschezeug haben.«
»Das holen wir uns doch jetzt!«
»Aber wir haben es noch nicht. Wir können gestört werden; es kann da Vieles geschehen.«
»Was soll da geschehen! Sie haben das Geld doch mit?«
Auf diese direct an ihn gerichtete Frage konnte der Freiherr mit keiner Unwahrheit antworten. Die Wahrheit wäre doch dann herausgekommen, und in diesem Falle hätte Simeon jedenfalls das Vertrauen verloren und wäre morgen nicht zu ihnen gekommen. Aus diesem Grunde antwortete Tannenstein: »Es ist Ihnen vollständig sicher!«
»Das erwarte ich natürlich. Am sichersten ist es mir, wenn Sie es mit haben; aber Ihre Worte klingen beinahe so, als ob das Gegentheil der Fall sei?«
»Sie errathen es.«
»Ah! Sie haben also kein Geld!«
»In diesem Augenblicke nicht.«
»Aber es war ja ausgemacht, daß ich es erhalten
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