Der verlorne Sohn
zu haben!«
»O doch!«
»Was denn?«
»Mit dem Inhalte des Geschriebenen bin ich ganz zufrieden. Wie aber nun, wenn Sie diese Zeilen verleugnen?«
»Fällt mir nicht ein!«
»In Geschäften kann man nicht vorsichtig genug sein! Ich kenne Ihre Handschrift nicht.«
»Hier sehen Sie sie doch!«
»Ist sie es wirklich?«
»Sapperment! Glauben Sie etwa, daß ich meine Hand verstellt habe?«
»Das will ich nicht behaupten, obgleich in der Welt sehr Vieles möglich ist. Aber ebenso möglich wäre es, daß ein Anderer behauptete, Sie hätten das nicht geschrieben, oder ich hätte Ihre Handschrift nachgemacht und gefälscht. Darum ist es zu meiner Sicherheit nothwendig, einen unanfechtbaren Beweis zu haben, daß dieses Document wirklich von Ihnen angefertigt worden ist.«
»Wollen Sie etwa meinen Stempel haben?«
»Haben Sie ihn vielleicht mit?«
»Nein. Was verlangen Sie also sonst?«
»Ihr Siegel.«
»Donnerwetter! Meinen Sie, daß ich mein Petschaft so aus langer Weile mit mir herumschleppe?«
»Das Petschaft nicht. Aber ich sehe, daß Sie einen Siegelring anstecken haben.«
»Sie sind ein rechter Satan!«
»O nein! Ich bin nur exact und vorsichtig, wie ich bereits gesagt habe.«
»Aber ich kann doch unmöglich siegeln!«
»Warum nicht? Da auf dem Schreibzeuge liegt ja eine ganze Stange Lack.«
»Wenn ich den anbrenne, leuchtet es bis hinunter auf die Straße!«
»Das wollen wir schon verhüten. Sie siegeln da unter dem Tische. Die Tischplatte dient als Schirm. Es dringt kein einziger Lichtstrahl bis an das Fenster.«
Der Freiherr hätte seinen Dränger am Liebsten gleich niedergeschossen. Das ging aber nicht. Er warf einen fragenden Blick auf seine Tochter. Diese nickte ihm ruhig zu und sagte: »Thue ihm den Willen, Vater. Er kann es verlangen, denn wir müssen ihn bezahlen.«
»Na, dann meinetwegen! Habe ich geschrieben, so kann ich auch siegeln. Also, leuchten Sie!«
Als er fertig war, gab er die Schuldverschreibung dem Goldarbeiter. Dieser steckte sie befriedigt zu sich und sagte:»Danke! Jetzt ist Alles in Ordnung, und nun machen Sie da mit den Sachen, was Sie wollen.«
Der Umtausch wurde bewerkstelligt, und dann begaben sie sich hinab nach der Thür. Dort angekommen, verlöschte Simeon das Licht, steckte die Laterne zu sich und flüsterte: »Draußen trennen wir uns sofort. Ich verlasse augenblicklich die Stadt. Sie benützen die Bahn?«
»Natürlich.«
»Bleibt es dabei, daß ich um Mitternacht kommen soll?«
»Na, eigentlich sollte ich Sie zum Teufel jagen. Sie haben da oben nicht etwa manierlich an mir gehandelt!«
»Nun, ich habe thun müssen, was ich meinem Wohle schuldig war. Wenn Sie mir darüber zürnen, so muß ich es eben tragen. Ich würde mich dann nach zwei Tagen einstellen, um das Geld gegen Rückgabe der Anweisung in Empfang zu nehmen. Besser freilich wäre es, wenn Sie mir meine geschäftliche Strenge verzeihen und mir die Erlaubniß geben wollten, Sie heute aufzusuchen.«
»Na, sei es denn. Kommen Sie um Mitternacht!«
»Gut, ich danke! Ich werde meiner Tochter die Schlüssel zustellen und mich dann sogleich auf den Weg machen; denn zu Fuß ist – halt! Still, ganz still!«
Er hatte schon im Begriff gestanden, den Schlüssel anzustecken; da aber erklangen draußen Schritte, welche grad vor der Thür anhielten. Dann hörten die inwendig stehenden Drei die Stimmen zweier Männer, welche sich halblaut unterhielten. Obgleich das Gespräch nur in gedämpftem Tone geführt wurde, war doch ein jedes Wort desselben deutlich hörbar. Man kann sich denken, wie Simeon, Tannenstein und dessen Tochter lauschten, als sie vernahmen, daß von ihnen die Rede sei.
Die beiden Männer waren nämlich Adolf und der Paukenschläger, welche die bereits erzählte Tour machten, um zu sehen, ob das entschwundene Gedächtniß des Zweitgenannten wiederkehren werde. Beide waren an der Thür stehen geblieben, weil Hauck sich erinnert hatte, daß aus derselben drei Personen getreten seien, welche sich mit der vierten dann vereinigt hatten.
Die drei Lauscher horchten in größter Spannung, ja fast athemlos auf die draußen gesprochenen Worte. Sie wagten nicht, sich zu rühren, bis sie überzeugt waren, daß die beiden Sprechenden sich entfernt hatten.
»Sapperment!« sagte nun der Goldarbeiter. »Noch einen Augenblick später, einen einzigen, so wären wir erwischt worden!«
»Wer mögen sie gewesen sein?« fragte der Freiherr.
»Wie? Das wissen Sie nicht?«
»Nein. Kann ich etwa durch das
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