Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
anbrannte.
    Sie gelangten ohne alle Störung oder Fährlichkeit in das betreffende Zimmer, wo sie mit Hilfe des zweiten Schlüssels sich des Kinderzeuges bemächtigten. Der Freiherr öffnete sein Päcktchen, und nun wurden die Originalsachen mit den nachgeahmten verglichen.
    Natürlich trugen sie dabei Sorge, daß der Schein des Lichtes nicht von unten bemerkt werden konnte.
    »Nun?« fragte der Tannensteiner, als seine Tochter die Vergleichung beendet hatte.
    »Es ist mir ausgezeichnet gelungen,« antwortete sie. »Die Nachahmung ist so täuschend, daß man unmöglich vermuthen kann, es habe hier eine Verwechslung stattgefunden.«
    »Sehr gut! Legen wir also Deine Sachen hinein. Die anderen nehmen wir mit!«
    »Halt! Nicht so schnell!« sagte da der Goldarbeiter, indem er die Hand der Tochter ergriff, welche nach den Worten ihres Vaters thun wollte.
    »Warum?« fragte der Freiherr.
    »Es müssen alle Bedingungen ehrlich erfüllt werden.«
    »Was giebt es hier noch für Bedingungen?«
    »Diejenigen, welche zwischen uns festgestellt worden sind.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Das ist doch sehr einfach. Sie haben mir die andere Hälfte der bedungenen Summe zu bezahlen, sobald sich diese Sachen in Ihrer Hand befinden.«
    »Nun ja; das ist ja abgemacht!«
    »O, noch nicht! Die Sachen befinden sich in Ihrer Hand; das Geld haben Sie nicht. An Stelle desselben soll ich einstweilen eine Anweisung erhalten. Ich habe mich da einverstanden erklärt. Also, bitte, diese Anweisung und dann nehmen Sie die Sachen!«
    »Sind Sie des Teufels?« fragte der Freiherr zornig.
    »Nein, aber pünktlich bin ich!«
    »Sie wollen die Anweisung jetzt gleich haben?«
    »Ja.«
    »Wo soll ich sie denn hernehmen?«
    »Es giebt hier Papier genug, Tinte und Federn auch.«
    »Alle Wetter! Sie muthen mir zu, die Schrift hier anzufertigen?«
    »Wie Sie hören!«
    »Das ist doch unmöglich.«
    »Wo soll es sonst möglich sein? Etwa unten auf der Straße?«
    »Im Hotel!«
    »Sie meinen, daß ich in Ihr Hotel kommen soll? Das kann mir nicht einfallen. Wir dürfen hier nur so lange beisammenbleiben, als es unumgänglich nothwendig ist. Unten auf der Straße trennen wir uns. Es giebt also nur hier die Zeit, die Schrift anzufertigen.«
    »Wo denken Sie hin! Wir müssen ja doch machen, daß wir von hier fortkommen!«
    »So außerordentliche Eile hat das nicht. Zeit für ein paar Zeilen giebt es ganz gut.«
    »Wenn man uns erwischt!«
    »Es kommt kein Mensch.«
    »Wenn ich mich aber weigere?«
    »So erhalten Sie diese Sachen nicht.«
    Er ergriff schnell die Gegenstände und nahm sie an sich.
    »Pah!« meinte der Freiherr. »Sie werden sie hergeben!«
    »Das werde ich nicht, wenigstens nicht eher, als bis ich die Schuldverschreibung habe!«
    »Wollen Sie es etwa darauf ankommen lassen, daß ich Sie zwinge?«
    »Wenn es Ihnen beliebt, ja.«
    »Also gar auf einen Kampf?«
    »Ja.«
    »Wir sind Zwei gegen Sie!«
    »Lächerlich! Sie haben Schießwaffen, dürfen sie aber nicht gebrauchen, wenn Sie sich nicht verrathen wollen; ich aber habe hier den Todtschläger. Wollen sehen, wer den Kürzeren zieht!«
    Sie standen einander so feindselig gegenüber, daß es Theodolinde angst wurde. Sie sah ein, wie nothwendig es war, den Goldarbeiter nicht mißtrauisch zu machen. Darum gab sie ihrem Vater einen schnellen, nur von ihm bemerkten Wink und sagte: »Keinen Streit! Herr Simeon hat Recht. Es ist zwar keineswegs rathsam, uns länger als unbedingt nöthig hier aufzuhalten; aber Du hast ihm die Verschreibung versprochen und mußt sie ihm also auch geben.«
    »Mädchen! Hier schreiben! Bedenke doch!«
    »Er kann es verlangen.«
    »Er soll ja Alles bekommen. Aber es hieße doch, die Gefahr geradezu an den Hörnern herbeiziehen, wenn ich mich hierher setzen wollte, um in aller Form ein Document anzufertigen.«
    »Die Gefahr ist nicht so groß, wie es den Anschein hat. Man wird das Licht nicht auf der Straße sehen. Bitte setze Dich an den Tisch und schreibe.«
    »Na, ich will Dir den Willen thun. Aber wenn uns dabei der Teufel holt, so bist Du schuld!«
    Er setzte sich an den Schreibtisch und Simeon leuchtete so, daß der Schein der Laterne nur auf den Tisch fiel. Tannenstein nahm einen Bogen des reichlich vorhandenen Actenpapieres und schrieb. Simeon’s Blicke folgten den aus der Feder fließenden Buchstaben.
    »Sind Sie so zufrieden?« fragte der Tannensteiner, als er fertig war.
    »Noch nicht ganz,« antwortete der Goldarbeiter.
    »Ich denke doch nichts vergessen

Weitere Kostenlose Bücher