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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schmale, steinerne Treppe, welche nach unten in den Keller führte.
    Dieser schien im Verhältnisse zur Breite und Tiefe des Hauses ziemlich groß zu sein. Unten wurden einige alte Lampen angebracht, welche den vorderen Theil des Kellers nothdürftig erleuchteten. Hier standen einige halb verfaulte Bänke, auf welchen die fünf Grazien Platz nahmen. In der Ecke stand ein Faß, daneben ein Blechmaß. In das Letztere ließ der Apotheker aus dem Fasse ein und reichte es dem Fremden. Dieser nippte vorsichtig. Es war der armseligste Kartoffelfusel. Er gab das Maß den Damen hin, und diese fielen mit wahrer Gier über das Labsal her.
    »Kommen Sie nun weiter!« bat der Apotheker.
    Im Hintergrunde gab es eine Thür, welche in einen Nebenraum führte. Dort traten sie ein. Beim Scheine der Lampe, welche der Apotheker in der Hand hielt, war ein wüstes Durcheinander von Kräutern, Blumen, Flaschen, Gläsern, Phiolen, Tiegeln und Ähnlichem zu erkennen. Einige Schemel ragten aus dem Chaos hervor.
    »Ist’s ein Geheimniß, was Sie haben?« fragte der Alte.
    »Ja.«
    »So will ich schließen.«
    Er schob die Thür zu, verriegelte sie von innen und nahm dann erwartungsvoll auf einem der Schemel Platz. Der Andere setzte sich auch, griff in die Tasche, zog eine große Münze hervor, zeigte sie dem Apotheker und fragte: »Kennen Sie das?«
    »Mein Gott! Der Hauptmann selbst!«
    Bei diesen Worten fuhr er wieder von seinem Sitze empor.
    »Bleiben Sie sitzen!« gebot der Hauptmann. »Und beantworten Sie meine Fragen!«
    »Ich stehe ganz, ganz, ganz zu Befehl!«
    »Giebt es ein Mittel, einen Menschen auf einige Zeit verrückt zu machen?«
    »Ja.«
    »Wohl sogar mehrere?«
    »Sie sind allerdings verschieden, je nach dem Zweck, den man verfolgt.«
    »Aber, wohlgemerkt, ich meine nur eine zeitweilige Wirkung.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich brauche ein solches, welches von der Diagnose der Ärzte nicht entdeckt werden kann.«
    »Das ist schwierig, sehr schwierig!«
    »Aber doch möglich?«
    »Ich hoffe es. Aber es wird theuer sein, sehr theuer!«
    »Schweigen Sie, Alter! Sie wissen, daß Sie mir mit diesen Faxen nicht kommen dürfen. Ich zahle, was Sie verlangen. Wollen Sie mir dieses Mittel verschaffen?«
    »Bis wann?«
    »Bis heut um Mitternacht?«
    »Donner! Diese Zeit ist zu kurz!«
    »Später kann ich es nicht gebrauchen. Wollen Sie oder nicht? Ich habe noch Andre, an die ich mich wenden kann.«
    »Nein, nein, nein! Bitte, bleiben Sie! Ich diene Ihnen ja mit dem größten Eifer und Vergnügen! Nur möchte ich um einige Anhaltspunkte ersuchen dürfen.«
    »Welche Punkte meinen Sie?«
    »Erstens Alter und Constitution des Kranken.«
    »Zweiunddreißig Jahre; gebaut wie ein Goliath.«
    »Welche Krankheiten hat er gehabt?«
    »Niemals die Spur einer solchen!«
    »Soll er zum Toben gebracht werden?«
    »Nein.«
    »Also stiller Wahnsinn?«
    »Ja. Er darf nicht phantasiren, nicht irre reden, damit er keine dummen Dinge plaudert. Verstanden?«
    »Ich verstehe. Wie lange soll der Wahnsinn währen?«
    »Sagen wir zunächst drei Monate.«
    »Gut. Das ist nicht so schwer.«
    »Kann er nöthigenfalls verlängert werden?«
    »Das versteht sich.«
    »Wie viele Dosen muß man geben?«
    »Eine einzige.«
    »Das ist gut, sehr gut! Aber schadet die Gabe seiner Constitution?«
    »Das versteht sich! Ich muß aufrichtig mit Ihnen sein.«
    »Aber die Folgen sind später zu beseitigen?«
    »Gewiß! Aber es darf nicht allzu spät sein.«
    Die Beiden horchten jetzt. Die vordere Kellerthür hatte sich in ihren kreischenden Angeln gedreht. Eine männliche Stimme wurde hörbar, und die Stimmen der Mädchen wurden laut und munter.
    »Wer ist das?« fragte der Hauptmann leise.
    Der Apotheker lauschte einige Augenblicke und antwortete dann in einem beruhigenden Tone:
    »Keine Sorge, Herr! Es ist ein guter Freund von mir.«
    »Ein Eingeweihter?«
    »Noch nicht.«
    »Sie hoffen also, daß er es noch wird?«
    »Ja.«
    »Ich muß, wenn ich jetzt gehe, an ihm vorüber; darum muß ich es wissen, wer und was er ist.«
    »Er ist Diener, und zwar beim Fürsten von Befour.«
    »Alle Teufel! Bei Dem! Mann, wie unvorsichtig handeln Sie da! Nehmen Sie sich ja in Acht!«
    »Warum?«
    »Der Fürst scheint uns feindlich gesinnt zu sein.«
    »Ich weiß es; einen desto besseren Freund haben wir an seinem Diener.«
    »Ein Spion vielleicht.«
    »Keineswegs. Er wird nicht mehr lange in seiner gegenwärtigen Stellung, die er gar nicht lobt, verbleiben.«
    »Hat er eine andere?«
    »So

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