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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Wort mit der Zofe sprechen zu können.
    Ella von Helfenstein war sehr erfreut, als sie den Fürsten bei sich eintreten sah. Auf seine Entschuldigung, daß er bereits wieder bei ihr vorspreche, erwiderte sie: »Sie sind stets hoch willkommen, Durchlaucht. Wie gut aber, daß Sie nicht eine Viertelstunde später kommen.«
    »Sie wollten ausfahren? Ah, ich bedaure! Ich werde Sie also um meine sofortige Verabschiedung bitten müssen.«
    »O nein, nein! Ich wollte nur auf einige Augenblicke zu Oberst von Hellenbach, um mich nach Fanny’s Befinden zu erkundigen.«
    »Auch ich will nachher zum Oberst, und zwar zu dem gleichen Zwecke. Die junge Dame ist aller Theilnahme werth. Sie hat sich wirklich heldenmüthig bewiesen. Sie befand sich in Lebensgefahr.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Gewiß! Dieser Bormann soll ja ein Mensch sein, dem selbst das Schlimmste zuzutrauen ist.«
    »Das habe ich bisher auch gedacht. Aber wird sich ein solcher Mensch denn wirklich mit einem maladen Subject verbinden, wie Derjenige ist, den man mit ihm gefangen hat?«
    »Sie meinen den Schreiber? Ich las von ihm. Beinahe aber möchte ich sagen, daß ich an der Schuld dieses jungen Mannes zweifle.«
    »Ah! Warum?«
    »Wie soll er zu dem Riesen gekommen sein?«
    »Diese Frage wird die Untersuchung beantworten. Aber, Durchlaucht, sind Sie gekommen, damit wir uns mit einem so außerordentlich widerwärtigen Thema beschäftigen?«
    »Allerdings nicht. Ich beabsichtigte, dem Oberst meinen Besuch zu machen und im Vorüberfahren Ihnen meine Ergebenheit zu beweisen.«
    »Nur im Vorüberfahren?« fragte sie schmollend.
    »Wünschen Sie, daß ich eine längere Pause mache?«
    »Gewiß. Oder wäre Ihnen unsere letzte Unterredung wieder entfallen? Das wäre ja beinahe beleidigend für mich.«
    »Ich bin ganz glücklich, daß ich mich eines ausgezeichneten Gedächtnisses erfreue, wenn sich dasselbe auch leider oft mit Dingen zu beschäftigen hat, welche viel, viel weniger interessant sind als der Gegenstand unserer Unterhaltung.«
    »Darf ich vielleicht erfahren, welche Dinge dies sind?«
    »Ich beschäftige mich sehr viel mit Wissenschaften.«
    »Darum sind Sie so ernst. Hätte ich das Recht, Ihnen zu befehlen, so würde ich Ihnen diese Beschäftigung verbieten.«
    »Sie würden mir etwas entziehen, was im Stande ist, dem Menschen die reinsten Freuden und Genüsse zu gewähren.«
    »Genüsse? Sollten diese alten, trockenen Bücher wirklich glücklich machen können? Ich meine, man sollte sein Glück ganz anderwärts suchen. Die Wissenschaft macht menschenscheu; sie drängt zur Einsamkeit. Darum schließen auch Sie sich ab, während Sie doch berufen sind, der Oeffentlichkeit anzugehören. Sie sind reich, sogar unermeßlich reich, wie man sagt. Sie besitzen eine Einrichtung, wie es keine zweite in der Residenz giebt. Warum öffnen Sie Ihr Haus nicht den Kreisen, welche sich nach der Erlaubniß sehnen, bei Ihnen Zutritt zu erlangen?«
    Er bemerkte gar wohl, welches Ziel sie mit ihrer Frage zu erreichen strebte, darum antwortete er: »Sollte es wirklich Jemand geben, den es so sehr verlangte, meine Räume zu betreten?«
    »Gewiß, gewiß!«
    »Darf ich vielleicht um Namen bitten?«
    »Ich könnte sehr viele nennen, aber ich will mich mit einem begnügen, zumal ich annehme, daß dieser eine hinreichend sein wird, Sie zu überzeugen, wie grausam Sie handeln, indem Sie sich abschließen.«
    »Ich bin ganz Ohr, diesen Namen zu hören.«
    »Ella von Helfenstein.«
    »Ah, das ist ja der Ihrige!«
    »Allerdings. Genügt er nicht, Sie zur Besserung zu bewegen?«
    Er blickte ihr voll in die Augen. Dieser Blick hatte etwas Triumphirendes an sich. Er erkannte ja, daß er mit seinen Vermuthungen, die immerhin verdienten, kühn genannt zu werden, das Rechte getroffen hatte. Sie aber verstand diesen Blick ganz anders. Sie las aus demselben den Triumph, sie besiegt und erobert zu haben, darum fuhr sie fort:»Darf ich hoffen, daß meine erste, allerdings unausgesprochene Bitte in Erfüllung gehen werde?«
    Sein Gesicht wurde ernst.
    »Ella,« sagte er, »wollen Sie mich zwingen, der Einsamkeit zu entsagen, die mir so lieb geworden, so unentbehrlich ist? Wollen Sie mich zwingen, mich in Gesellschaften zu zerstreuen, deren Glieder mir innerlich fern stehen und mir stets fremd bleiben werden?«
    »Nein, das will ich nicht, ganz gewiß nicht. Aber sagen Sie, Durchlaucht, bin auch ich Ihnen fremd?«
    »Welche Frage!«
    Da trat sie zu ihm heran, legte ihm den vollen Arm auf die

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