Der verlorne Sohn
preiszugeben. Jetzt sah sie sich für einige Augenblicke allein. Sie stampfte mit dem silbernen Griffe des Messers auf und knirrschte: »Vergebens! Seine Liebe ist eine Lüge, oder er besitzt das kalte Blut eines Fisches. Kein Anderer könnte widerstehen! Mein Vorsatz ist gefaßt: Ich erwarte nichts von der Liebe, sondern Alles nur von meiner Geschicklichkeit. Die Diamanten! Die Diamanten! Wo mögen sie sein? Wo mag er sie haben?«
Er kehrte zurück. Der Champagner perlte in die Gläser; eine, zwei, drei Flaschen wurden geleert – der Fürst blieb, wie er war. Da machte sie ihm endlich direkte Vorwürfe über seine zurückweisende Kälte.
»Bedürfen Sie denn keines Unterrichts mehr?« fragte sie, indem sie ihren Stuhl dem seinen näher rückte.
Er lächelte ihr freundlich entgegen; aber seine Stimme klang gleichgiltig, beinahe kalt, als er antwortete:
»Liebe Ella, Sie dürfen mich nicht veranlassen, ein unhöflicher Wirth zu sein. Einem so lieben Gast darf ich doch unmöglich die Arbeiten, Sorgen und Anstrengungen eines Lehramtes auferlegen. Sie sind jetzt Fürstin von Befour; ich darf Sie in Ihren wirthschaftlichen Thätigkeiten nicht beeinträchtigen!«
Diese Worte gaben ihr den längst gesuchten Punkt, an welchem es möglich war, anzufassen. Sie antwortete:
»Fürstin von Befour? Und doch kenne ich mein Reich noch nicht.«
»Es ist auf diesem Continente nicht sehr groß. Es erstreckt sich nur auf dieses Haus und den Garten.«
»Desto mehr muß ich besorgt sein, es kennen zu lernen!«
Sie ahnte nicht, daß sie dem ihr weit überlegenen, fein berechnenden Manne mit ihrem Wunsche in die Hände arbeitete. Scheinbar zögernd, gab er ihr nach einer kurzen Pause zur Antwort: »Ich habe allerdings versprochen, Ihnen meine kleinen Herrlichkeiten zu zeigen; aber wir sind noch beim Nachtische!«
»Ich bin zu Ende, und auch von Ihnen bemerke ich, daß Sie sich nicht mehr mit dem Tische beschäftigen.«
»So darf ich Sie zu einem Rundgange einladen?«
»Ich wünsche mir keinen anderen Cicerone, als nur Sie allein!«
Das war eine sehr verständliche Andeutung, daß er auf die Begleitung eines Dieners verzichten solle; aber der Fürst sah ein, daß sich dann während eines Rundganges durch den Palast für sie hundertfach Gelegenheit bieten werde, inniger zu werden, als er es beabsichtigte. Darum antwortete er leichthin: »Leider wird Adolf gezwungen sein, uns die unerleuchteten Zimmer zu erhellen!«
Er erhob sich, und sie folgte seinem Beispiele. Sie nahm seine Bemerkung als einen Wink, die Uebertaille wieder anzulegen. Sie mußte einsehen, daß die Schlacht verloren sei. Während ihr Gesicht vor Freundlichkeit glänzte, klopfte ihr Herz fast laut vor innerem Zorn. Sie wollte sich rächen, rächen, rächen! Und doch, wenn ihr Auge auf den neben ihr durch die Räume Schreitenden fiel, wallte es in ihr auf vor Liebe, vor übermäßiger, leidenschaftlicher, thörichter Liebe und Zärtlichkeit. Es war so, wie er zu sich gesagt hatte: Sie war seine Sclavin geworden; sie konnte nicht mehr von ihm lassen. Je kälter er sich zeigte, desto tiefer grub sich die Liebe in ihre Seele; ihr Zorn, ihr momentanes Verlangen nach Rache waren ja nur eine ganz natürliche Folge ihrer Leidenschaft.
So durchschritten sie, von Adolf geführt, welcher einen goldenen, sechsarmigen Leuchter trug, alle disponiblen Räume des Palastes. Hatte sie sich bereits vorher geblendet gefühlt, so war sie jetzt fast erdrückt unter der Last des Reichthums, der ihr von überall entgegenblickte. Sie sah Hunderte von Gegenständen, deren Namen sie nicht einmal kannte. Was waren die Häupter der hiesigen
Haute-volé,
was war auch der Baron, ihr Mann, gegen diesen indischen Nabob!
Und dabei erzählte er ihr mit einigen kurzen, ganz gleichgiltig hingeworfenen Worten, daß sein Vermögen sich in Indien befinde, diese Besitzung hier aber nur eine Art augenblicklicher Unterschlupf sei.
Endlich kehrte sie in das Arbeitscabinet zurück. Sie warf sich fast ermüdet, sicher aber enttäuscht, auf einen Sessel nieder.
»Durchlaucht,« sagte sie, »man ist mit Gewalt, mit wahrer Gewalt gezwungen, Sie zu beneiden! Es fehlt Ihnen allein nur ein Wesen, welches diese Reichthümer mit Ihnen theilt, wodurch Sie sich erst in den wirklichen Genuß derselben setzen würden. Es fehlt Ihnen das liebende und geliebte Weib, welches, mit Ihren Brillanten geschmückt, Sie und Ihr Leben mit Rosen bekränzen würde.«
Er verstand die Erwähnung der Brillanten sofort. Ein
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