Der verlorne Sohn
kurzes, überlegenes Lächeln zuckte um seinen Mund, dann machte er eine halb elegische, halb wegwerfende Handbewegung und sagte: »Pah! Nicht Schätze machen glücklich! Ich war nicht immer so reich, und bevor ich es war, fühlte ich mich glücklicher. Ein einziger warmer Sonnenstrahl ist dem Erdenleben mehr werth, als aller Goldesglanz, ein Blick des Himmelsblau durch Wolkengrau ist köstlicher, als die Saphire aller Diademe und Kronen, und ein frischer, grüner Grashalm hat für die lebende Natur mehr zu bedeuten, als ganze Hände voll glänzender Smaragde. Was haben Sie gesehen? Die häusliche Einrichtung eines einsamen Mannes. Ein einziger meiner Steine und Brillanten wiegt alles Dieses auf; aber reicht ihr ganzer Werth hin, mein Leben um eine einzige Secunde, um den millionsten Theil eines Augenblickes zu verlängern?«
Sie hob den so geschickt hingeworfenen Köder sofort auf.
»Steine, Brillanten besitzen Sie?«
»Einige,« antwortete er gleichmüthig.
»Aber ich sah sie ja noch nicht!«
»Ich wußte nicht, daß Sie sich für diese todte Welt interessiren.«
»Todte Welt!« rief sie aus. »Ist der Glanz kein Leben? Ist er nicht ebenso ein Leben, wie der Duft Leben ist? Giebt es ein weibliches Wesen, welches sich nicht für Schmuck und Kleinod interessirt, ja begeistern kann?«
»Sie haben Recht. Ich sehe ja, daß Sie bereits förmlich begeistert sind. Aber, Sie müßten mir in meine Toilette folgen.«
»O, wenn es gilt, Brillanten zu betrachten, da ist man nicht prüde, da folgt man selbst dem fremdesten Herrn noch weiter, als bis in die Toilette!«
»So bitte, kommen Sie!«
Er trat in das Nebengemach. Es war dies ein mit dem äußersten Luxus ausgestattetes Ankleidegemach. In die Augen fielen besonders zwei Möbel, nämlich ein großer, feuerfester Geldschrank, und sodann ein zweiter Schrank, hoch, breit und mit den feinsten Hölzern nach chinesischer Manier ausgelegt. Der Fürst deutete auf den Ersteren.
»Das ist meine Casse,« sagte er. »Erschrecken Sie leicht?«
»Nein,« antwortete sie.
»So bitte, betrachten Sie sich zuerst diesen Schild aus Stahlketten. Er ist von bester luzonischer Arbeit und von dem berühmtesten igorotischen Waffenschmied angefertigt. Ich gebrauche ihn als Kugelfang.«
Er deutete auf einen dem Geldschranke grad gegenüber an der Wand befestigten Schild, der aus lauter kleinen und größeren zu conzentrischen Rosetten vereinigten und in einander laufenden Stahlringen, welche aber wie reines Silber glänzten, gefertigt war. Diese Arbeit war wirklich künstlerisch; er mußte sie theuer bezahlt haben.
»Als Kugelfang?« fragte sie. »Wieso?«
»Passen Sie auf!«
Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und warf ihn, seitwärts stehend, auf den Fußboden vor den Schrank. Augenblicklich ertönte ein fürchterliches Krachen, Blitze zuckten; eine ganze Reihenfolge von Schüssen hatte sich entladen, und das Zimmer war von dichtem Pulverdampfe erfüllt.
»Herr, mein Gott!« rief sie im höchsten Grade erschrocken.
Sie wollte nach der Thür eilen. Er aber sagte in beruhigendem Tone:
»Bleiben Sie! Sie standen und stehen ja nicht in Schußlinie!«
Er trat zum Fenster und öffnete es, damit der Rauch abziehen könne; dann wendete er sich wieder zu ihr: »Bereits der kleine Druck, den das Gewicht eines Schlüssels hier auf den Fußboden ausübt, reicht hin, die Batterie zu entladen; wieviel sicherer wird dies geschehen, wenn ein Mensch, ein Dieb hinzuträte, um ohne mein Wissen und ohne meine Erlaubniß die Casse zu öffnen!«
Der Rauch verzog sich. Man konnte den Geldschrank wieder deutlich sehen, aber es war nicht zu bemerken, von woher die Schüsse gekommen waren. Der Fürst öffnete mit Hilfe eines Schlüssels und indem er an einem Buchstabenzirkel drehte.
»Sehen Sie jetzt, meine Gnädigste!« sagte er. »Das Schloß ist nur von Einem zu öffnen, der das Geheimniß kennt. Sollte es dennoch einem Unberufenen gelingen, der auch von den vorigen Schüssen nicht getroffen worden wäre, so würde er sicherlich nun von einer tödlichen Salve empfangen. Hier sehen Sie die Läufe! Die Schüsse gehen nur aus dem Grunde nicht los, weil mir der Griff bekannt ist, mittelst dessen man die Hähne in Ruhe versetzt.«
Hinter den beiden geöffneten Thüren starrten eine ganze Anzahl drohender Läufe entgegen.
»Glauben Sie, daß ein Dieb mich bestehlen kann?« fragte er.
»Nein,« antwortete sie.
Sie sagte das aus vollster Ueberzeugung. Sie war jetzt sicher, daß der heutige
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