Der verlorne Sohn
Einbruch nicht viel ergeben werde. Die Juwelen befanden sich ja ganz sicher in diesem Verwahrungsorte. Um sich aber doch zu überzeugen, fragte sie: »Natürlich befinden sich Ihre Steine und Brillanten auch in diesem Schranke?«
Er verschloß den Schrank wieder und antwortete unter einem feinen Lächeln, dessen Bedeutung sie allerdings nicht verstand: »Nein. Sie sind an einem viel sichereren Orte aufbewahrt. Hier befinden sich nur meine Gelder und Papiere. Sehen Sie hier!«
Er hob den Schlüssel auf, welchen er vorhin zu Boden geworfen hatte und öffnete mit demselben die breiten Doppelthüren des zweiten Schrankes. Er war von unten bis oben hinauf mit Büchern gefüllt, deren mit Goldschrift versehene Rücken ihnen entgegenglänzten.
»Ah, Ihre Bibliothek!« sagte sie enttäuscht.
»Das scheint nur so!« antwortete er. »Nehmen Sie zum Beispiel einmal diesen Band, und prüfen Sie seine Schwere!«
Er nahm eines der Bücher heraus und gab es ihr in die Hand. Es wog sehr schwer, und als sie den Band genauer betrachtete, bemerkte sie, daß es kein Buch sondern ein Holzkästchen war.
»Da, wo man ein Buch öffnet, macht man auch hier auf,« sagte der Fürst. »Probiren Sie es einmal, Baronin!«
Sie öffnete und stieß einen Ruf des Erstaunens aus. Sechs kostbare Bracelets glänzten ihr entgegen, mit Perlen, Rubinen und Smaragden ausgelegt. Sie verschlang den Schmuck förmlich mit den Augen. So kostbare, fremdartige Arbeit hatte sie noch nicht gesehen.
»Mein Gott, welchen Werth müssen sie haben!« sagte sie.
»Nur sechzigtausend Gulden,« antwortete er einfach. »Weiter!«
Er öffnete nun Buch um Buch, das heißt, Kasten um Kasten. Aus jedem funkelte, flimmerte und brillirte es ihr entgegen, daß ihr die Augen zu schmerzen schienen. Berloques, Ringe, Ketten, Arm-und Halsbänder, Broschen, Boutons, Arm-und Fußspangen, alle, alle Arten von bekannten und fremdartigen Schmuckgegenständen waren da zu sehen, theils einfach massiv in Gold oder Silber oder, was meist der Fall war, mit den werthvollsten Steinen und Perlen ausgelegt. In riesigen Folianten befanden sich massiv goldene Gefäße oder Theile von Gegenständen, welche nur zusammengesetzt zu werden brauchen, um Leuchter und dergleichen zu bilden.
Ella kam aus einer Art von Entzückung gar nicht heraus.
»Das ist allerdings wahr,« sagte sie. »Diese Bibliothek ist tausendmal mehr werth als Ihr Palais mit all’ seiner Einrichtung!«
»O, dieses kleine Bändchen ist mehr werth, als die ganze Bibliothek,« sagte er, indem er ein Kästchen hervornahm, welches sie noch nicht in der Hand gehabt hatte. »Lesen Sie!«
Er hielt ihr den Rücken des scheinbaren Buches entgegen. Auf demselben war in französischen Worten zu lesen: ›
Les rois des pierres
,‹ zu deutsch: ›Die Könige der Steine‹. Er öffnete. In dem Kästchen befanden sich zwei unscheinbare, breitgedrückte Lederbeutel, so daß sie die Form des Buches angenommen hatten. Sie enthielten Steine von der Größe einer Erbse bis zu derjenigen einer großen Hasel-oder Lampertnuß, welche ganz und gar nicht das Aussehen hatten, als ob sie von irgend welchem Werthe seien.
»Was ist das?« fragte sie.
»Diamanten meist, auch Rubine, Saphire und Smaragde,« antwortete er in einem Tone, als ob es sich nur um Kieselstücke handle.
Sie fühlte etwas wie Fieber durch ihre Adern und Nerven gehen. Also, das waren die Schätze, nach denen sie trachtete! Sie machte den Deckel zu und gab ihm das Kästchen mit den ›Königen der Steine‹ zurück, sonst hätte sie sich verrathen; er hätte ihre Aufregung bemerken müssen. Aber ohne daß sie es ahnte, beobachtete er sie scharf. Er sah das Zittern ihrer Hände; er sah, daß ihre Lippen zuckten, obgleich sie die Zähne zusammenpreßte; er sah auch den gierigen Glanz ihrer Augen, und nun wußte er gewiß, daß er recht vermuthet habe und daß er siegen werde.
»Was nun habe ich von diesen Schätzen?« fragte er. »Da stecken sie! Was für Nutzen bringen sie mir?«
Sie vermochte nicht zu antworten; sie kehrten in das Cabinet zurück, wo Adolf bald den Thee servirte. Während sie diesen Letzteren einnahmen, war die Unterhaltung eine sehr wortkarge. Da drückte der Fürst auf die Glocke. Der Diener erschien.
»Ein Glas frisches Wasser!« befahl der Fürst.
Das war das verabredete Zeichen. Nach kurzer Zeit kehrte Adolf mit dem Wasser zurück und meldete:
»Verzeihung, gnädiger Herr! Der Hausmeister – –«
»Was ist?« fuhr der Fürst auf, als ob er über
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