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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lassen und erwischen lassen, das ist jedenfalls ganz Zweierlei.«
    »Ich errathe! Du beabsichtigst, Dich im Zimmer der Baronin überraschen zu lassen?«
    »Ja. Ich werde das Zöfchen zu überreden wissen, daß wir dort am Allersichersten sind.«
    »Dann kommt plötzlich die Baronin. Du hast keine Zeit, Dich zu entfernen und versteckst Dich bei ihr, um sie zu beobachten?«
    »So ist es. Das Zöfchen wird vor Angst vergehen, ich aber werde in aller Ruhe meine Beobachtungen anstellen.«
    »Du magst der Zofe sagen, daß die Baronin erst um Mitternacht heimkehren werde, und ich sorge dafür, daß sie eher kommt. Aber das, was ich beobachtet wünsche, wird im Schlafzimmer geschehen, wenn mich meine Vermuthung nicht täuscht.«
    »So verstecke ich mich dort. Mir ganz gleich. Vielleicht unter das Bett. Da bin ich am sichersten.«
    »Wie Du dann heraus kommst, das ist natürlich Deine Sache!«
    »Nichts leichter als das! Ich warte, bis die gnädige Frau eingeschlafen ist, und schleiche mich dann hinaus, wo die Zofe mich jedenfalls erwarten wird.«
    »Ich vertraue Deiner Gewandtheit. Es ist möglich, daß sich meine Vermuthungen als trügerisch erweisen, aber ich muß auf den betreffenden Fall vorbereitet sein. Habe ich mit meiner Ahnung das Richtige getroffen, so halte ich von der Heimkehr der Baronin an in der Nähe ihrer Wohnung Wacht. Du findest mich am großen Brunnen lehnend. Ah, es klingelt! Sie kommt! Du kannst gehen!«
    Anton entfernte sich, und der Fürst ging der Baronin entgegen. Nachdem sie abgelegt hatte, führte er sie direct in sein Arbeitszimmer. Er wollte sie mit Absicht in die unmittelbare Nähe seines Toilettenzimmers, in welchem sich seine Werthsachen befanden, placiren.
    Sie war nur eilig durch einige Gemächer geschritten, dennoch war sie geblendet von dem Reichthume, der ihr da entgegen strahlte. Sie kam sich wie ein armes Weib gegen diesen Krösus vor, dem doch dieser Glanz sehr gleichgiltig zu sein schien.
    »Verzeihung, daß ich Sie nicht zum Salon nöthige!« sagte er. »Liebe Personen pflegt man im trauteren Raume zu empfangen.«
    »Ich habe nicht zu verzeihen, sondern zu danken,« antwortete sie geschmeichelt. »Der Salon würde erkältend wirken, während ich mich hier in dem Raume, der Ihr engeres Wirken sieht, als zu Ihnen gehörig fühlen darf.«
    Das Gespräch bewegte sich in rein freundlicher Weise, obgleich sie sich alle Mühe gab, es auf das Gebiet der Liebe hinüber zu spielen. Aber stets, wenn sie zärtlich zu werden drohte, warf er ihr ein Wort entgegen, vor dem sich ihre allzu große Wärme flüchten mußte. Dann kam Adolf, um zu serviren.
    »Ein kleines Souper unter Zweien, meine Verehrteste,« sagte der Fürst. »Leider mangelt meinem Heim das weibliche Princip. Ich werde um Nachsicht zu bitten haben!«
    »Das weibliche Princip ist heute zugegen,« antwortete sie. »Erlauben Sie mir, Ihnen zu zeigen, wie angenehm es sein würde, wenn eine Fürstin von Befour hier die Honneurs machte!«
    Sie legte ihm vor. Dabei war sie bemüht, bald mit der Hand, bald irgend wie mit ihm in Berührung zu kommen. Er suchte dies möglichst zu vermeiden. Er blieb freundlich und zuvorkommend, hütete sich aber, zärtlich zu werden.
    Sie trug ein dünnes, sehr eng anliegendes Kleid mit einer weiteren, leichten Uebertaille. Als zu erwarten stand, daß der Diener nun nicht mehr kommen werde, heuchelte sie eine kleine Ungeschicklichkeit und ließ einige Tropfen des Fruchtmêlé auf sich fallen. Sie that, als ob sie erschrecke und sagte:»O weh! Daheim braucht man nicht so vorsichtig zu sein!«
    Sie erwartete, daß er sie auffordern werde, sich ganz als daheim zu denken; da dies aber nicht geschah, fügte sie hinzu: »Oder bin ich wirklich bei Ihnen fremd?«
    »Liebe Baronin!« war er jetzt gezwungen zu antworten. »Ich hoffe doch nicht, daß wir uns so fern stehen!«
    »Nun, dann will ich speisen wie bei mir!«
    Sie legte die Uebertaille ab, und nun zeigte es sich, daß das Kleid ganz
à la Rafflesia
ausgeschnitten war. Jetzt meinte sie, dem Siege entgegen zu gehen; aber ihre Hoffnung erwies sich als trügerisch. Der Fürst blieb sich gleich.
    Sie war darüber voll innerlichem Ärger; äußerlich aber meinte sie, sich nicht das Mindeste merken zu lassen. Einen solchen Menschenkenner aber, wie der Fürst war, konnte sie nicht täuschen. Er sah, als der Champagner kommen sollte, sich gezwungen, das Zimmer zu verlassen und ihn selbst zu holen, um dem Diener nicht den Anblick dieser decolletirten Frau

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