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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gut wie ich, was ich da zunächst zu thun habe?«
    »Ja. Sie werden mich erst durchsuchen und dann fesseln. Einem Mörder legt man Fesseln an; das ist vorgeschrieben.«
    Er hatte das im bittersten Tone gesprochen. Dann griff er in die Taschen und zog Alles hervor, was sich in denselben befand: die Uhr, ein Federmesser, die Geldbörse, das Taschentuch, ein Cigarrenetui und endlich –
    »Was ist das?« fragte er, im höchsten Grade erstaunt, als er aus der Seitentasche seines Jaquetes auch einen Schlüssel hervorbrachte.
    »Sie kennen diesen Schlüssel nicht?« fragte der Gensdarm.
    »Nein, ganz und gar nicht. Ich habe ihn niemals besessen.«
    »Zeigen Sie her! Der Form und Größe nach muß es ein Zimmerschlüssel sein. Vielleicht läßt es sich später sagen, wem er gehört und wie er in Ihre Tasche gerathen ist. Ich bin verpflichtet, diese Gegenstände an mich zu nehmen. Darf ich um Ihre Hände bitten!«
    Es überlief Brandt doch ein Grauen, als er sah, daß der Beamte eine dünne, aber feste Schnur hervorzog.
    »Ah, die Fessel!« sagte er. »Hier, binden Sie mich, damit ich Ihnen nicht entfliehen kann! Wohin führen Sie mich?«
    »Nach dem Schlosse. Wenn die Herren vom Gerichte in der Tannenschlucht fertig sind, werden sie sich zu Ihnen verfügen und ich bin überzeugt, daß es Ihnen sofort gelingen wird, sie von Ihrer Unschuld zu überzeugen. Mein College wird hier bei der Leiche zurückbleiben, damit der
status quo
erhalten bleibe.«
    Brandt wurde gebunden und mußte dann dem Beamten nach dem Schlosse folgen. Er befand sich in einem Zustande, welcher sich nicht beschreiben läßt; er war vollständig unfähig, sich objectiv in dem Ereignisse zurecht zu finden. Er schritt ganz mechanisch neben dem Gensdarmen her. Er bemerkte nicht, wem er begegnete; er sah nicht, wie verwundert, ja entsetzt man überall die Augen auf ihn richtete, und erst als er in ein festes Gelaß des Schlosses eingesperrt worden war, kam ihm der Gedanke, daß sein Verhalten doch ein noch viel entschiedeneres hätte sein können.
    Auch Alma war in einer ähnlichen Geistesverfassung auf dem Schlosse angekommen. Sie wollte zu dem Vater eilen, um ihm das Schreckliche mitzutheilen, fand jedoch seine Thür verschlossen. Das war noch niemals vorgekommen. Als sie auf mehrmaliges und immer stärkeres Klopfen keine Antwort erhielt, wurde ihr himmelangst. Sie rief die Diener herbei und erfuhr von ihnen, daß der gnädige Herr sich seit gestern gar nicht habe erblicken lassen. Man klopfte noch einige Male so stark, daß es laut genug war, um nicht nur einen Schläfer, sondern gradezu einen Ohnmächtigen zu erwecken, und als selbst jetzt keine Antwort wurde, schickte Alma, welche sich vor Angst kaum zu fassen vermochte, in das Dorf nach dem Schmiede. Dieser machte auch die vorkommenden Schlosserarbeiten und hatte das nöthige Werkzeug, eine Thür zu öffnen.
    Das überlaute Klopfen war dem Gensdarm aufgefallen. Um zu sehen, was es zu bedeuten habe, kam er herbei. Er sah sämmtliche Diener um Alma versammelt, dachte sich, daß dies einen außergewöhnlichen Grund haben müsse und fragte nach demselben. Er erfuhr ihn. Ganz unwillkürlich dachte er an den Schlüssel, welchen Brandt in seiner Tasche gehabt hatte. Er trug denselben noch bei sich und zog ihn hervor.
    »Ist es dieser vielleicht?« fragte er.
    Die Zofe Ella kannte die Schlüssel am besten. Sie nahm ihn in die Hand, betrachtete ihn und antwortete:
    »Er scheint es wirklich zu sein. Woher haben Sie ihn?«
    »Das werden Sie vielleicht erfahren. Bitte, probiren Sie einmal, ob er paßt, ob er schließt.«
    Sie steckte ihn an. Es war der richtige Schlüssel. Die Thür ging auf. Aber als die vor derselben Stehenden einen Blick in das Zimmer warfen, ertönte ein allgemeiner Schrei des Entsetzens. Der Raum war mit Blut überschwemmt gewesen, welches nun geronnen war, und inmitten dieser fürchterlichen Scene lag mit durchschnittenem Halse der Baron.
    Alma stand da, als ob sie ein Gespenst erblicke. Ihre Augen waren starr auf den Todten gerichtet, sie streckte die Hände mit den ausgespreizten zehn Fingern weit von sich, und ihr Haar schien sich emporsträuben zu wollen. Endlich aber löste sich der Bann, welcher sie umfangen hielt.
    »Vater! Mein Vater!« rief sie.
    Mit einigen raschen Sprüngen stand sie bei ihm. Sie wollte sich zu ihm niederbeugen, aber das Entsetzliche war über sie gekommen, wie eine tödtliche Kugel, welche den vorwärts stürmenden Soldaten im Felde trifft und erst einmal um seine

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