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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und Abscheu kämpften in ihrem Blicke. Sie zögerte zu antworten, und sagte erst nach einer langen Pause:
    »Muß ich denn eine Antwort geben?«
    »Ja, Sie müssen.«
    »Mein Gott, welch’ eine Qual!« Sie legte die Hand auf das Herz und fuhr dann, in ein lautes Schluchzen ausbrechend, fort: »Ich kann, ich darf es nicht leugnen; ich muß die Wahrheit sagen: ja, er ist es gewesen.«
    Dabei umfaßte sie den Stamm des Baumes, um nicht umzusinken.
    Gustav hatte sein Auge mit Siegeszuversicht auf sie gerichtet gehabt; jetzt fuhr er zusammen und griff sich mit beiden Händen an die Stirn, als ob ihn dort ein Schlag getroffen habe.
    »Alma!« rief er, nicht im Tone des Vorwurfs, sondern mit einem Ausdrucke, welcher sich gar nicht beschreiben läßt.
    »Bitte, schweigen Sie jetzt!« gebot ihm der Gensdarm. Und sich an den Baron wendend, fuhr er zu diesem fort: »Herr von Helfenstein, ich muß ganz dieselbe Frage auch an Sie richten.«
    »Auch ich bin Zeuge, daß er der Mörder ist«, antwortete der Gefragte in einem Tone, der gar keinen Widerspruch aufkommen ließ.
    »Herr Baron!« rief Gustav zornig. »Wahren Sie Ihre Zunge. Sie sind ja gar nicht dabei gewesen!«
    »Das wird untersucht werden«, meinte der Gensdarm. »Herr von Helfenstein, Sie haben vielleicht die Güte, das gnädige Fräulein nach dem Schlosse zu begleiten. Wir werden nachkommen.«
    Der Baron bot Alma den Arm; sie nahm denselben an.
    »Alma! Schwester!« rief Gustav. »Willst Du mich wirklich verlassen, mit diesem Verdachte im Herzen?«
    Sie wendete ihm noch einmal den Blick der schönen Augen zu. Ihr Busen wogte heftig auf und nieder. Sie kämpfte einen schweren Kampf, der ihr Herz, ihr ganzes Innere zerfleischte. Dann aber antwortete sie:
    »Ich darf nicht lügen! Es ist kein Verdacht, es ist die unbestreitbare Gewißheit, daß Du der Thäter bist. Lebe wohl, auf ewig!«
    Sie ging mit dem Baron. Gustav wußte nicht, was er thun, was er sagen sollte. Das, was er jetzt erlebte, war so ungeheuerlich, daß es ihn fast betäubte. Es brauste ihm um die Ohren, als ob er sich inmitten einer tosenden Brandung befinde, und nur wie im Traume, nur wie aus weiter Ferne vernahm er die Frage des Gensdarmen:
    »Aus welchem Gewehre sind die Kugeln gekommen, Herr Brandt?«
    »Aus diesem«, antwortete er, auf seine Büchse deutend.

    »Es ist das Ihrige?«
    »Ja. Ich lag da drinnen zwischen den Bäumen. Die Büchse lehnte an einem Stamme. Ich sah die Baronesse kommen und trat auf den Weg fort; da kam der Hauptmann. Während wir uns unterhielten, fielen zwei Schüsse; sie trafen ihn in die Brust. Er war todt. Ich sprang dahin, wo ich mein Gewehr gelassen hatte. Es lag abgeschossen am Boden, aber Niemand war da. Der Mörder war augenblicklich entflohen. Ihm nachzueilen, wäre vergebens gewesen. Ich kehrte darum zu dem Hauptmanne zurück, um zu sehen, ob er wirklich todt sei. Ich hatte das Gewehr noch in der Hand. In diesem Augenblicke kam die Baronesse retour. Sie hatte die Schüsse gehört. Sie sah mich mit der Büchse, sie erblickte den Todten; ich sehe ein, daß sie mich für den Mörder halten mußte, zumal ich gestern mit dem Hauptmanne einen Wortwechsel hatte. Sie fiel in Ohnmacht.«
    Er hatte diesen Bericht in kurzen, abgerissenen Sätzen gegeben. Sein Gesicht glich dabei demjenigen eines Nachtwandlers, welcher nicht weiß, was er thut und spricht.
    Der Gensdarm schüttelte den Kopf und meinte:
    »Ich möchte gern glauben, daß Sie unschuldig sind und daß es in Wirklichkeit so ist, wie Sie sagen. Jedenfalls wird es Ihnen gelingen, dies zu beweisen. Aber Sie sind Jurist; Sie kennen die Pflichten meines Amtes. Ich muß Sie bitten, sich als meinen Gefangenen zu betrachten.«
    Alle Anwesenden hatten gewußt, daß es so kommen müsse; aber als das schlimme Wort ausgesprochen war, ging doch ein halblautes Murmeln durch ihre Reihe.
    »Er ist es nicht gewesen«, meinte der Eine.
    »Nein, er kann es nicht gewesen sein; man muß ihm Glauben schenken«, sagte der Andere.
    »Ich verbürge mich für ihn!« rief ein Dritter. »Man darf, man soll ihn nicht arretiren!«
    Der Gensdarm warf einen strengen Blick auf den Sprecher. Er wollte eine Antwort geben, aber Gustav kam ihm zuvor.
    »Laßt das gut sein, meine Freunde«, sagte er. »Der Verdacht ist gegen mich, und es wird mir wohl gelingen, ihn zu zerstreuen. Ich darf mich der Arretur nicht widersetzen. Herr Gensdarm, ich stelle mich Ihnen zur Verfügung.«
    Der Beamte nickte mit dem Kopfe und sagte dann:
    »Sie wissen ebenso

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