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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wünschen Sie auch von mir?«
    »Ja.«
    »Sie sollen es haben!«
    »Ein Zimmer, welches außer mir kein Mensch betritt?«
    »Kein Mensch nicht einmal ich.«
    »Den Hausschlüssel, um zu jeder Minute hereinzukommen?«
    »Gern, sehr gern!«
    »Das ist Alles, was ich, außer dem tiefsten Stillschweigen, jetzt verlange. Lassen Sie mir das Zimmer vorrichten. Ich habe verschiedene Verkleidungsstücke mitgebracht, welche da aufbewahrt werden müssen. Uebrigens, wenn Sie einen fremden Menschen in Ihrem Hause sich bewegen sehen, so brauchen Sie nur leise das Wort ›Fürst‹ zu ihm zu sagen; antwortet er ›des Elendes‹, so bin ich es. Es ist das gewisser Vorkommnisse wegen. Theilen Sie das auch den Ihrigen mit!«
    »Fürst des Elendes? Ah, kennen Sie ihn vielleicht?«
    »Ja. Ich bin sogar in seinem Auftrage hier.«
    »Wirklich? Herrjesses, ist das eine frohe Ueberraschung! Vielleicht bekommen wir da hier den mächtigen, geheimnißvollen Herrn auch einmal zu sehen?«
    »Sehr wahrscheinlich, aber nur, wenn Sie die größte Verschwiegenheit beobachten.«
    »Daran werden wir es gewiß nicht fehlen lassen.«
    »Das erwarte ich. Jetzt gehe ich. In vielleicht einer Stunde bin ich wieder da. Es würde mir lieb sein, wenn dann mein Zimmer bereit stände. Ich will da ein Wenig schlafen und gehe erst am Abende wieder fort.«
    Er ging. Jetzt endlich konnte der Wirth ihn über die Straße schreiten sehen. Sein Weg führte ihn nach dem Gerichtsamte, wo er sich nach dem Beamten erkundigte, welcher die Untersuchung gegen den Schreiber Beyer und dessen Tochter zu führen hatte. Da derselbe gerade nicht bei einem Verhöre beschäftigt war, so wurde Arndt sogleich vorgelassen.
    Der Actuar betrachtete den Eintretenden, bot ihm einen Stuhl und fragte dann:
    »Was wünschen Sie?«
    »Ich komme in der Angelegenheit des Schreibers Beyer, welcher gestern hier eingeliefert wurde.«
    »Haben Sie vielleicht Etwas für oder gegen ihn zu den Acten zu geben?«
    »Nein. Ich möchte mir nur die Erkundigung gestatten, ob er und seine Tochter nicht auf Handgelöbniß entlassen werden könnten.«
    Das Auge des Beamten ruhte wieder forschend auf dem Sprecher; dann fragte er:
    »Welches Interesse haben Sie dabei?«
    »Ein rein menschliches, kein persönliches.«
    »Wer sind Sie?«
    »Erlauben Sie mir, Ihnen dies noch zu verschweigen! Aber fragen möchte ich dürfen, ob Sie wissen, was gestern nach der Abführung der beiden Gefangenen geschehen ist?«
    »Die Frau ist gestorben.«
    »Das ist das Eine. Und das Andere?«
    »Das Eine ist höchst traurig und das Andere im höchsten Grade interessant. Der sogenannte Fürst des Elendes soll beim Pfarrer gewesen sein, und zwar im Interesse der betreffenden Familie.«
    »Soll? Er ist wirklich dagewesen!«
    »Ich erfuhr es nicht amtlich, sondern nur gesprächsweise.«
    »Ich komme in seinem Auftrage.«
    Da fuhr der Actuar vom Stuhle auf.
    »Im Auftrage des Fürsten des Elendes?«
    »Ja, mein Herr.«
    »So kennen Sie ihn?«
    »Ich habe keine Erlaubniß, mich über diesen Punkt zu äußern. Vielleicht bin ich ein Diener von ihm oder einer seiner Agenten. Er hat mich beauftragt, die vorhin ausgesprochene Frage an Sie zu richten.«
    »Welchen Grund hat er dazu?«
    »Wie ich bereits sagte, einen rein menschlichen. Er fühlt inniges Mitleiden mit der Familie.«
    »Wissen Sie, daß ich Ihnen nicht zu antworten brauche?«
    »Ich weiß das, hoffe aber dennoch, eine Antwort zu erhalten.«
    »Oder daß ich Sie für verdächtig erklären und in Folge dessen festhalten könnte?«
    »Wer sich für Untersuchungsgefangene interessirt, kann allerdings verdächtig erscheinen. Von einem Festhalten aber ist keine Rede. Hier meine Legitimation!«
    Er zog eine Karte hervor, welche nur die Worte enthielt: »In meinem Auftrage.« Darunter aber stand der wohlbekannte Namenszug und das Siegel des Justizministers.

    »Das ist allerdings etwas Anderes, mein Herr!« sagte der Actuar, indem er die Karte mit einer tiefen Verbeugung zurückgab. »Ich vermuthe also in Ihnen einen Collegen?«
    »Vielleicht vermuthen Sie nicht unrichtig. Also bitte, die Antwort auf meine Frage.«
    »Hm! Nach dem, was das erste Verhör ergeben hat, sind beide Gefangene schuldig.«
    »Welcher Verbrechen oder Vergehen?«
    »Er des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und sie des Diebstahls, vielleicht nicht einmal des einfachen. Das Mädchen kann auf keinen Fall entlassen werden, wenigstens nicht, bevor die Zeugen vernommen sind.«
    »Aber der Vater?«
    »Er ist geständig;

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