Der verlorne Sohn
schaden!«
»Es würde nicht bei diesem Einzigen bleiben, sondern ein Jeder würde einen Oheim, einen Vater, Bruder oder überhaupt einen Verwandten, oder einen Freund haben, den er mitbringen wollte.«
»Hm! Ja! Das ist wahr!«
»Und Du besonders dürftest auf keinen Fall theilnehmen.«
»Das sehe ich nun doch nicht ein!«
»Nicht? Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Du bist der Vorsteher der Gesellschaft der Brüder und Schwestern der Seligkeit; Du hältst fromme Vorträge und Predigten; Du giltst als ein Mann, der streng auf dem Wege des Herrn wandelt; darfst Du da einen solchen Ort besuchen, wie Derjenige ist, von welchem wir jetzt reden?«
»Pah! König David, der fromme Psalmensänger, hat auch getanzt!«
»Aber zu Ehren Gottes!«
»Mensch, Du bist recht spitzfindig! Aber horch!«
Es war aus der dunklen Ecke des Gemaches wie ein spitzer, schriller Ruf erklungen. Fritz blickte sich um und sagte: »Still! Wie viele Male!«
Zum zweiten, dritten und vierten Male erklang der scharfe, das Gehör fast beleidigende Glockenton.
»Sapperment! Laube ruft!« meinte Fritz.
»Viermal! Also eine Erkundigung!« fügte der Fromme hinzu.
»Ich habe keine Zeit!«
»Wegen der Maskerade?«
»Ja. In einer halben Stunde beginnt sie!«
»Aber Auskunft muß doch gegeben werden!«
»Leider! Vater ist auch nicht da!«
»Du meinst, daß ich gehen soll?«
»Es wäre mir lieb, wenn Du das übernehmen wolltest!«
»Gut! Gieb die Antwort!«
Fritz ging nach der Ecke. Dort stand ein Wandschränkchen. Es war verschlossen. Er zog einen Schlüssel hervor, öffnete und langte zwischen den Flaschen und Gläsern, welche darin standen, nach einem Nagel, welcher scheinbar zu irgend einem Zwecke in die Hinterwand des Schränkchens eingeschlagen war. Er zog an demselben und verschloß den Schrank dann wieder. Dann bemerkte er:»Dieser verdammte Bormann wird’s doch nicht wieder sein!«
»Dem wollte ich schön heimleuchten!«
»Oder auch nicht! Er ist ein gefährlicher Mensch!«
»Er wird doch so klug gewesen sein, sofort über die Grenze zu gehen. Hier zu bleiben wäre ja Wahnsinn!«
»Solchen Kerls ist Alles zuzutrauen!«
»Hast Du ihn gehörig versehen?«
»Ihn und die beiden Andern, mit Pässen und Geldern!«
»Unnütze Ausgaben!«
»Ich brauche mich nicht darüber zu ärgern. Es geschieht ja doch auf Rechnung des Hauptmannes. Mag er sich nicht mit solchen Lumpen abgeben. Aber ihnen unsere Geheimnisse, unsere Zeichen mitzutheilen, das ist mehr, als ich begreifen kann.«
»Er wird seinen Zweck gehabt haben. Also, wenn es der Bormann sein sollte, was soll ich da thun?«
»Das kommt ganz darauf an, was er will. Scheint es Dir schwierig, so bestelle ihn morgen wieder.«
»Die Laterne?«
»Es ist Alles im Keller! Hier ist der Schlüssel!«
Er langte denselben Schlüssel hervor, mit welchem er das Schränkchen geöffnet und dann wieder verschlossen hatte, und gab ihn seinem Onkel. Dieser steckte ihn ein und ging. Er tappte sich in den finsteren Keller und brannte eine dort stehende Laterne an. Im Hintergrunde gab es eine Thür, welche er mit dem Schlüssel öffnete und dann hinter sich wieder verschloß. Jetzt befand er sich in einem stollenartigen Gange, welcher in leiser Senkung abwärts zu führen schien. Neben der Thür stand eine alte, verschlossene Kiste, die er mit demselben Schlüssel öffnete. Er nahm eine schwarze Tuchjacke, eine Mütze und eine Maske hervor und legte diese drei Stücke an, nachdem er vorher seinen Rock ausgezogen hatte. Dann schritt er langsam in den finsteren Gang hinein.
Kurz vorher hatte die Familie Hauser zu Abend gegessen, und dabei war es dem Sohne gewesen, als ob hart am Fensterladen Jemand das Wort ›Fürst‹ halblaut ausgesprochen hätte.
Niemand als er hatte es vernommen. Er ahnte, daß Arndt draußen sei, und ging hinaus. Er hatte sich nicht getäuscht. Der Genannte stand hinter dem Häuschen, dicht an den Ziegenstall gelehnt, so daß er von einem Unberufenen nicht bemerkt werden konnte.
»Herr Arndt?«
»Ja! Haben Sie es gehört?«
»Sogleich. Giebt es etwas Wichtiges?«
»Jetzt nicht. Aber ich hab etwas vor, in dessen Gefolge etwas Wichtiges sein könnte. Sie gehen also bestimmt zur Maskerade?«
»Ja, bestimmt!«
»Wie lange werden Sie bleiben?«
»Das kann ich jetzt noch nicht wissen, Herr Arndt.«
»Ich dachte es mir; aber es ist möglich, daß ich Sie heute noch zu sprechen habe, mein Lieber.«
»So wollen wir uns treffen. Aber wo und wann?«
»Ich werde
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