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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Waldkönig es erfährt!«
    »Pah!« antwortete Arndt. »Sie überschätzen diesen Menschen in hohem Grade. Was man sich von ihm erzählt, ist entweder ganz Erfindung oder wenigstens übertrieben.«
    »Da irren Sie sich! Er ist so listig und verwegen, wie wohl selten ein Zweiter.«
    »Meinen Sie wirklich? Man sagt, daß Keiner ihn kennt, und daß auch seine Leute sich nicht untereinander kennen –«
    »Das ist wahr.«
    »O nein! Niemand kennt ihn? Ich kenne ihn aber! Und seine Leute kennen sich nicht? Kennen Sie Beide sich denn nicht? Wissen Sie nicht von einander, daß Sie ihm dienen? Ist das etwa klug von ihm gehandelt? Hat er Sie dadurch nicht in die größte Gefahr gebracht? Ist er nicht sogar in Gegenwart Ihrer Frauen zu Ihnen gekommen? Kann man die Unvorsichtigkeit weiter treiben? Ich nenne das nicht nur unvorsichtig, sondern geradezu leichtsinnig!«
    Schulze nickte jetzt doch nachdenklich mit dem Kopfe und sagte in zustimmendem Tone:
    »Was Sie da sagen, hat allerdings Hand und Fuß. Ich habe gewußt, daß ich in Gefahr war, aber konnte ich anders? Er drohte, und da muß man gehorchen. Ich habe mich erst heute Abend wieder geweigert, den Brief zu besorgen; aber er sagte, daß er es soweit bringen wolle, daß ich nächsten Sonnabend im Schachte abgelohnt werde. Was will man dann anderes machen?«
    »Ich begreife ganz gut, daß Sie sich von ihm beängstigen ließen. Jetzt aber stehen die Sachen anders. Jetzt bin ich bei Ihnen, und Sie stehen unter meinem Schutze. Wollen Sie mir einmal den Brief zeigen, den Sie zur Besorgung erhalten haben?«
    Und als Schulze doch ein bedenkliches Gesicht machte, munterte Wilhelmi ihn auf:
    »Immer her damit! Der Herr hat ja den meinigen auch gelesen!«
    »Ist’s wahr?«
    »Ja,« antwortete Arndt. »Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie nicht den kleinsten Schaden dadurch haben sollen.«
    »Nun, da Sie das versprechen, so will ich es wagen.«
    Er brachte den Brief, erschrak aber doch, als Arndt sein Messer hervorzog und das Couvert aufschnitt. Es enthielt ganz denselben Inhalt, wie der andere Brief. Arndt steckte den Bogen und das Couvert ein; das rief abermals die Bestürzung des Bergarbeiters wach. Er sagte: »Sie stecken das ein? Das kann ich nicht zugeben!«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe den Brief abzugeben.«
    »Ich werde es an Ihrer Stelle thun. Mit Tages Anbruch muß ich nach Helfenstein. Ich werde dem Schmied den Brief geben.«
    »Aber ich soll ihn ja bringen!«
    »Das ist nicht mehr nöthig. Uebrigens bleiben Sie am Tage hübsch daheim, damit der Waldkönig Sie nicht sieht und also erfährt, daß Sie nicht nach Helfenstein sind.«
    »Er würde das bemerken? Wohnt er denn hier?«
    »Ja.«
    »Herrgott! Wer ist es denn?«
    »Das werden Sie in ganz kurzer Zeit erfahren.«
    »Aber noch Eins: Sie haben ja das Couvert zerschnitten!«
    »Ich mache ein anderes darüber mit ganz derselben Schrift.«
    »Das hätten wir bei dem meinigen auch machen sollen,« meinte Wilhelmi. »Wir haben es vergessen.«
    »Vergessen nicht. Wir haben noch Zeit. Wir kommen ja wieder in Ihre Wohnung, wo ich den Brief dann so fertig machen werde, daß der Wagner Hendschel sicherlich nichts merken wird.«
    »Wollen Sie auch diesen Brief selbst besorgen?«
    »Nein. Sie bringen ihn hin. Sie lassen sich aber ja nicht merken, daß die Verhältnisse andere geworden sind!«
    »Und ich? Wie verhalte ich mich, wenn der Waldkönig von mir Rechenschaft fordert?« fragte Schulze.
    »Er wird gar nicht wieder zu Ihnen kommen. Morgen wird er gefangen. Man wird ihn zwingen, alle seine Mitschuldigen zu nennen. Danken Sie Gott, daß ich zu Ihnen gekommen bin. Das giebt Ihnen Grund, sich zu rechtfertigen. Nehmen Sie Ihre hundert Gulden, Herr Schulze, und thun Sie im Uebrigen ganz so, als ob Sie von gar nichts wüßten!«
    Schulze steckte die Banknote zögernd ein. Er hätte vor Arndt niederknieen mögen, um ihm zu danken, und doch hegte er auch ganz bedeutende Besorgnisse über die Folgen dieser gegenwärtigen Zusammenkunft. Arndt schnitt ihm alle Einwendungen und Bedenken ab, indem er sich zum Gehen anschickte, um sich mit Wilhelmi nach der Mühle zu begeben.
    Als sie dieselbe noch nicht einmal von Weitem erkennen konnten, hörten sie bereits das laute Klappern.
    »Er ist noch wach,« sagte der Musterzeichner. »Er ist ganz glücklich, daß er Arbeit hat.«
    Die Thür war von Innen verriegelt; sie mußten also pochen. Nicht Wilhelmi’s Bruder, sondern seine Schwägerin öffnete. Sie leuchtete die Beiden mit der Laterne

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