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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an und sagte im Tone des Erstaunens: »Du, Schwager? Um Gotteswillen! Es ist doch nicht etwa daheim etwas Schlimmes passirt?«
    »Nein. Ist der Bruder wach?«
    »Ja. Er ist in der Mühle.«
    »Rufe ihn! Wir haben mit ihm zu reden.«
    »So geht hinein in die Stube! Ich werde ihn holen.«
    Als sie dann ihren Mann brachte, machte er ein ebenso erstauntes Gesicht, wie vorhin sie. Er betrachtete Wilhelmi und meinte dann im Tone der Erleichterung:»Gott sei Dank! Ich hatte schon Sorge! Aber Du machst ein so glückliches Gesicht, daß ich beinahe denke, es ist Dir etwas Gutes passirt, anstatt etwas Schlimmes!«
    »Du hast Recht; Du bist überhaupt ein gescheidter Kerl! Ich gestehe, daß mir etwas höchst Glückliches passirt ist. Das werde ich Dir auch sofort beweisen. Du hast mir heute zwanzig Gulden besorgt. Hier hast Du sie wieder! Gieb mir achtzig heraus!«
    Er warf seinen Hundertguldenschein mit einer Miene auf den Tisch, als ob ihm solche Papiere nur so zugeflogen kämen.
    »Hundert Gulden!« sagte der Müller. »Mensch, wie kommst Du bei Deiner Armethei zu diesem Gelde?«
    »Hier steht mein Kassirer!«
    Er zeigte dabei auf Arndt. Der Müller musterte diesen und fragte:
    »Dein Kassirer! Rede nicht in solchen Räthseln!«
    »Na, das ist doch kein Räthsel, sondern ein sehr selbstverständliches Ding: Dieser Herr hat mir das Geld geschenkt.«
    »Geschenkt? Bist Du von Sinnen?«
    »Ich nicht, vielleicht er, da er es verschenkt hat! Ja, guckt ihn Euch nur richtig an! Wißt ihr, wer er ist?«
    Und als sie ihm die Antwort schuldig blieben, fuhr er fort:
    »Wir haben heute von ihm gesprochen, und als ich ihm von Euch erzählte, ist er selbst mit hergekommen.«
    Der Müller wußte noch immer nicht, was er denken solle; Frau Pauline aber wurde von ihrem weiblichen Scharfsinne auf die richtige Spur geführt.
    »Ah! Du warst bei dem Herrn Pfarrer?« fragte sie.
    »Noch nicht.«
    »Also bei Hauser’s?«
    »Auch nicht.«
    »So!« sagte sie enttäuscht. »Da habe ich mich also geirrt. Ich freute mich bereits, denn ich dachte –«
    »Nun, was dachtest Du?«
    »Du brächtest uns den – den – den Fürsten des Elendes.«
    »Na, das ist er ja auch.«
    »Mach keinen Spaß! Du bist ja noch gar nicht bei Pastor’s und Hauser’s gewesen.«
    »Das war auch nicht nöthig, denn der Herr kam zu mir.«
    Es gab nun eine Erklärung, welche weit kürzer war, als die freudige Aufregung, welche dann folgte. Die brave Müllerin wollte den Tisch decken, natürlich zu Ehren des vornehmen Gastes, und dieser hatte sich alle Mühe zu geben, sie davon abzuhalten. Sie war voller Wonne, als sie hörte, daß der Waldkönig gefangen werden solle. Dadurch kam ja ihr Mann von dem gefährlichen Pachte los. Arndt bat, den Keller sehen zu dürfen, und die Müllerin holte, von ihrem Schwager aufmerksam gemacht, den bereits erwähnten Kammerschlüssel herbei.
    Der Keller lag nicht zwischen den Grundmauern des Hauses, sondern er war hinter der Mühle in den Felsen gegraben. Der Schlüssel öffnete das Schloß, und mit Hilfe einer Laterne nahm Arndt den Keller in Augenschein.
    Es war ein langer, viereckiger Raum, dessen Wände, Decke und Fußboden ganz aus Felsen bestanden. Arndt sah sich enttäuscht; dennoch untersuchte er jeden Zollbreit des Raumes, doch ohne Erfolg.
    »Was suchen Sie?« fragte der Müller.
    »Ich hatte eine Vermuthung, welche sich leider nicht bestätigt hat. Darum brauchen wir auch nicht weiter darüber zu sprechen. Gehen wir wieder fort.«
    »Aber, was rathen Sie mir?«
    »Lassen Sie die Sache so, wie sie ist. In zwei oder drei Tagen werden wir besser als jetzt wissen, woran wir sind.«
    Das war der Bescheid, welchen er geben konnte. Als er dann mit dem Musterzeichner die Mühle verließ, ahnte er nicht, welche Bedeutung dieser Keller, in welchem er heute nichts Auffälliges bemerkt hatte, noch für ihn erlangen werde.
    Er ging nochmals mit zu Wilhelmi, um dem Brief ein anderes Couvert zu geben, dessen Aufschrift er täuschend nachahmte; dann machte er sich auf den Weg zur Försterei.
    Der alte Wunderlich hatte Wort gehalten. Er war noch wach. Ja, er hatte sogar seine Barbara geweckt, damit sie mit ihm auf Arndt’s Heimkehr warten solle. Dieser sollte sofort erzählen. Er berichtete so viel, als er für nöthig hielt und sagte dann: »Nun habe ich morgen eine ganz wichtige Reise. Haben Sie Zeit oder nicht, Vetter?«
    »Warum?«
    »Ich möchte Sie gern mit mir haben.«
    »Wohin?«
    »Nach Helfenstein.«
    »Sakkerment! Was wollen Sie dort?

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