Der verlorne Sohn
wirklich gewesen sind?« erkundigte er sich.
»Vollständig überzeugt«
»Gut, so werden wir sie zur Rechenschaft ziehen!«
»Nein, das thun wir nicht!«
»Nicht?« fragte er erstaunt. »Warum nicht?«
Sie erinnerte sich an das eigenthümliche, feindselige Verhalten des Judenmädchens und antwortete:
»Man darf lieber mit solchen Menschen gar nicht in Berührung kommen. Bitte, holen Sie mir lieber mein Pferd herbei!«
Das Thier war eine Strecke weit fortgaloppirt und dann ruhig stehengeblieben.
»Werden Sie reiten können?« fragte er besorgt.
»Gewiß. Ich fühle, daß ich unverletzt bin. Bitte, erzählen wir daheim nichts davon. Es ist besser, daß gar nicht davon gesprochen wird. Wollen Sie, Herr Bertram?«
»Wenn Sie es wünschen, muß ich ja. Bitte, stützen Sie sich einstweilen hier an diesen Baum!«
Während er das Pferd holte, versuchte sie, die kleinen Spuren des Unfalles zu vernichten, welche derselbe an ihrem Anzuge zurückgelassen hatte. Dann stieg sie wieder auf.
»Doch nicht weiter, sondern nach Hause?«
»Ja.«
Hatten sie vorhin eine so lebhafte, animirte Unterhaltung geführt, so ritten sie jetzt in tiefem Schweigen zurück. Fanny gedachte des Augenblickes, an welchem sie in seinen Armen erwacht war. Es war da wie mit Allgewalt über sie gekommen; sie hatte ihn umarmen müssen. Aber nun?
So oft sein Blick zu ihr herüberstreifte, senkte sie den ihrigen und ihre Wangen rötheten sich. Es war zwischen Beide Etwas getreten, was sie nicht zu definiren versuchten, obgleich sie es deutlich fühlten.
Er begleitete sie bis nach ihrer Wohnung. Als er ihr dort vom Pferde geholfen und dasselbe dem herbeieilenden Diener übergeben hatte, fragte er in beinahe verlegenem Tone: »Und heut Abend, gnädiges Fräulein?«
Da blitzte es munter über ihr Gesicht, und in ebenso munterer Weise antwortete sie:
»Wollen Sie etwa nun doch nach dem Residenztheater?«
»O nein.«
»Also darf ich Sie erwarten?«
»Ja, gewiß, ich komme.«
»Dann also auf Wiedersehen.« – – –
Bevor Max Holm am heutigen Morgen zu dem Fürsten gekommen war, hatte dieser bereits eine kleine Unterredung mit seinem Diener Adolf gehabt, welcher bekanntlich eigentlich ein Polizist war und in der Mauerstraße ein Stübchen genommen hatte, um jenes geheimnißvolle Gartenhaus zu beobachten, in welchem die Bande des »Hauptmannes« ihr Wesen getrieben hatte.
Er war seit längerer Zeit nicht beim Fürsten gewesen und auch von diesem nicht aufgesucht worden und so war derselbe einigermaßen gespannt auf das, was er erfahren werde.
»Giebt es vielleicht etwas Wichtiges, Adolf?« fragte er.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig genug sein wird,« antwortete der Gefragte unter einem schlauen Lächeln.
»Nun, es ist Dir anzusehen, daß es doch wohl etwas nicht ganz Gleichgiltiges sein wird.«
»Hm! Möglich!«
»Also heraus damit!«
»Ich kenne den Lieutenant des Hauptmannes.«
»Das heißt, seinen Hauptgehilfen?«
»Ja.«
»Wer ist es?«
»Ein gewisser Bauer, welcher bei der Polizei als Agent angemeldet ist und dem Hauptmanne Signale ertheilt, sobald irgend Etwas im Rohre liegt.«
»Kommt dabei das Gartenhaus in Betracht?«
»O nein. Dort in der Mauerstraße ist jetzt Alles still. Man hat Respect bekommen. Dieser Agent wohnt nämlich in einem Mansardenzimmer, welches der Baron von Helfenstein von seiner Wohnung aus sehen kann. Giebt es nun etwas Wichtiges, so stellt der Agent am Tage einen Spiegel, am Abende aber ein Licht an das Fenster.«
»Ah! Welch eine Unvorsichtigkeit vom Baron!«
»Unvorsichtigkeit?«
»Ja. Er hat sich also doch dem Agenten entdeckt!«
»Das glaube ich nicht. Der Agent giebt sein Zeichen; er weiß zwar, daß es vom Hauptmanne gesehen wird, braucht aber trotzdem nicht zu wissen, wo derselbe wohnt.«
»Möglich. Aber sie müssen sich doch irgendwo sehen und sprechen, wenn das Zeichen gegeben ist.«
»Allerdings.«
»Bist Du dahinter gekommen?«
»Sehr leicht. Als in der Mauerstraße nichts mehr zu bemerken war, beobachtete ich natürlich das Palais Helfenstein unausgesetzt und von allen Seiten. Da bemerkte ich das auffällige Zeichengeben. Ebenso bemerkte ich, daß der Agent dann seine Wohnung verließ, um sich in einen nahegelegenen Weinkeller zu begeben, in welchem er Stammgast ist. Gleich darauf verläßt auch der Baron sein Palais durch die bekannte Hinterthür und begiebt sich ebenso nach dem Keller.«
»Hast Du sie dort beobachtet?«
»Ja. Sie sitzen stets allein an einem Tische und
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